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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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und er hatte nicht einmal ein ungutes Gefühl bei diesem Gedanken.
    »Und er hat mich nicht wirklich verletzt«, fügte er hinzu.
    Bresser machte eine zornige Handbewegung. »Er hätte Euch umbringen können«, antwortete er.
    »Aber er hat es nicht«, gab Tobias zurück; schärfer, als er beabsichtigt hatte. Und er fuhr im gleichen Tonfall fort: »Ich habe Euch das auch nicht erzählt, um Euer Mitleid zu erwecken. Kennt Ihr diese Frau?«
    Bresser schüttelte so rasch den Kopf, als hätte er nur auf diese Frage gewartet. Erst danach tat er so, als überlege er 44
    einige Augenblick lang angestrengt. Der Mann ist ein Lügner, dachte Tobias.
    »Nein«, sagte er dann. »Es gibt vier Frauen in Buchenfeld, die im Moment guter Hoffnung sind. Aber keine bekommt ihr Kind in diesen Tagen. Und es ist auch keine dabei, die einen Sohn hat, auf den Eure Beschreibung paßt.« Er lächelte unsicher. »Sie muß Euch belogen haben.«
    »Ja«, seufzte Tobias. »Das hat sie wohl. Sie hatte sicher einfach nur Angst.«
    »Mit Grund«, sagte Bresser zornig. »Kindsmord ist nichts, was wir hier dulden. Der Graf achtet streng darauf, daß die Gesetze der Kirche und des Kaisers eingehalten werden. Ich schicke gleich ein paar Männer in den Wald, die nach der Frau suchen sollen.«
    Sie werden sie nicht finden, dachte Tobias. Laut sagte er:
    »Tut das. Aber schärft ihnen ein, sie gut zu behandeln.« Er stand auf. »Vielleicht seid Ihr jetzt so liebenswürdig, mir mein Quartier zu zeigen«, sagte er und dachte, daß es doch irgendwo in diesem unseligen Flecken Erde ein Gotteshaus geben mußte.
    Bresser sah ihn mit leiser Überraschung an, und Tobias beeilte sich, hinzuzufügen: »Es ist zwar kaum Mittag, aber Ihr habt wohl recht - der Weg war anstrengend. Ich würde gerne eine Stunde ruhen, ehe ich mit der Untersuchung beginne.«
    Bresser erhob sich schwerfällig. »Ihr könnt hier Quartier beziehen. Ich habe Platz genug. Das Haus ist ohnehin zu groß für meine Frau und mich.«
    Abermals verspürte Pater Tobias ein Gefühl des Unbehagens, das er nur schwer unterdrücken konnte. Der
    Gedanke, in diesem Haus zu wohnen, gefiel ihm nicht. Es war groß und warm, aber es war Bressers Haus, und Pater Tobias hatte schon längst begriffen, daß es stimmte, was die Leute erzählten: daß nämlich ein Haus im Laufe der Zeit etwas von seinem Besitzer annahm, sich seinem Charakter anpaßte, so wie es umgekehrt jene Menschen veränderte, die in ihm lebten. Aber er widersprach nicht. Mit etwas Glück würde er nur wenige Tage bleiben; vielleicht sogar nur diese 45
    eine Nacht. Es war eine Sache, mit dem Finger auf einen zu deuten und Hexe! zu schreien; eine ganz andere, diese Behauptung zu beweisen. Tobias hatte lange mit seinem Abt geredet, ehe er aufgebrochen war, und viele Stunden über Berichten und Protokollen ähnlicher Fälle verbracht. Viele Hexenprozesse endeten damit, daß der gerufene Inquisitor die Anklagepunkte widerlegte und nicht selten die Ankläger plötzlich die Angeklagten waren. Und die wenigen Indizien, die ihm bisher bekannt waren, erschienen Tobias wenig glaubhaft.
    Nein - er glaubte nicht, daß er lange am Ort verweilen würde. So widersprach er nicht, sondern trat gebückt um den Tisch herum, nahm seinen Beutel und stieß sich den Kopf an der niedrigen Decke, als er den Fehler beging, sich aufrichten zu wollen.
    Bresser sah ihn verzeihungsheischend an, als gäbe er sich die Schuld daran, daß dieses Haus offensichtlich für Zwerge gebaut war, sagte aber nichts, sondern eilte zur Tür und stolperte fast über seine eigenen Füße, als er sie hastig aufriß.
    Über die schmale Stiege draußen im Flur führte er Tobias ins obere Geschoß des Hauses, dessen Zimmer erstaunlicher-weise ein gutes Stück höher waren als die unteren - er konnte hier aufrecht stehen, und obgleich auch hier alles leer und verstaubt war, machte der kleine Raum, in den er ihn brachte, einen viel bewohnteren Eindruck als die Stube unten.
    Er war allerdings fast leer; unter dem schmalen Fenster stand ein äußerst unbequem aussehendes Bett mit einer zer-schlissenen Decke, daneben ein niedriger Schemel. Es gab weder einen Tisch noch eine Truhe. »Ihr könnt Euch hier erst einmal ausruhen, Vater«, sagte Bresser. »Später bringe ich Euch eine andere Decke - und einen Tisch. Ich denke, Ihr braucht einen Tisch?«
    »Vielleicht werde ich das eine oder andere schreiben müssen«, bestätigte Tobias. »Aber macht Euch keine Mühe.«
    »Es macht keine Mühe. Im

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