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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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anderes als anklagend war.
    »Seht diese beiden Kinder!« rief er. »Gottes Geschöpfe, vom Weibe geboren und noch unschuldig, will man meinen!
    Und doch hat Satan auch nach ihnen bereits seine Hand ausgestreckt, denn ist es nicht die Todsünde der Fleischeslust, die zu ihrer Geburt führte?«
    »Ich will gehen!« sagte Katrin. Und Tobias widersprach nicht mehr. Ganz plötzlich hatte er Angst. Der Blick dieser dunklen Augen verbrannte ihn wie Feuer, und für einen Moment war er sicher, daß sie einfach hinter seine Stirn und seine geheimsten Geheimnisse erblicken konnten. Er nickte nervös und wollte sich umwenden, aber der Bettelmönch hob befehlend die Hand, und Tobias blieb wie gebannt stehen.
    »Bleib!« donnerte er. »Sage mir, Knabe - bist du frei von Sünde? Oder hat Satan auch dich bereits verdorben, wie alle anderen hier?«
    Später, wenn er über diesen Tag nachdachte - und er tat es bei Gott oft -, war er zu dem Schluß gekommen, daß der Mann einfach verrückt war, ein religiöser Eiferer, wie es sie in diesen Tagen zuhauf gegeben hatte. Aber in diesem Moment war er fest davon überzeugt, daß der Prediger seine Gedanken las, so mühelos, als stünden sie mit flammenden Lettern auf seiner Stirn geschrieben. Er konnte fühlen, wie alle Farbe aus seinem Gesicht wich, und auch Katrin erbleichte.
    Was auch dem Bettelmönch nicht entging. Mit einem triumphierenden Laut trat er vor, streckte die Hände aus und packte Tobias und Katrin, schnell und mit einem Griff, der so fest war, daß er schmerzte. Tobias versuchte sich loszurei-
    ßen, aber der Mann war viel stärker als er.
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    »Seht sie euch an!« schrie er. »Noch Kinder, und doch schon in des Teufels Griff! Was habt ihr getan? Redet!
    Bekennt eure Sünden, und euch wird verziehen werden.«
    Tobias hatte nicht vor, diesem geifernden Mönch auch nur ein Wort zu sagen, aber noch nie in seinem Leben hatte er eine tiefere Angst und größere Scham gespürt. Gott hatte ein Zeichen gesandt, ein Zeichen, das alle Welt erkannte: er und Katrin lebten in Sünde.
    »Bekennet!« schrie der Bettelmönch. »Gesteht eure Sünden und tut Abbitte, und Gott der Herr wird euch vergeben!«
    »Kommt zu Euch, Prediger.«
    Vater Hegenwalds Stimme klang nicht besonders laut, aber so schneidend, daß der Mönch für einen Herzschlag erstarrte und die beiden Kinder in seinen Händen einfach zu vergessen schien.
    »Laß die Kinder los!« herrschte ihn Hegenwald an. »Auf der Stelle!«
    Der Prediger reagierte nicht, sondern legte nur den Kopf auf die Seite und starrte Hegenwald an. »Wer bist du?« fragte er.
    Tobias zog und zerrte, was er nur konnte, aber er erreichte damit nur, daß der Mann noch fester zupackte und ihm nun fast vollends den Atem abschnürte. Und auch Katrin wehrte sich mit aller Kraft. Aber sie versuchte nicht, seinen Griff zu sprengen, sondern bäumte sich nur noch einen Moment lang auf, drehte sich dann herum und schlug ihm dann das Knie zwischen die Oberschenkel.
    Der Prediger keuchte. Seine Augen weiteten sich vor Schmerz. Er krümmte sich, ließ Katrin und Tobias los und schlug die Hände gegen seinen Unterleib. Dann fiel er unter dem schadenfrohen Gelächter der Umstehenden langsam auf die Knie herab und rang keuchend nach Atem.
    Auch Tobias war gestürzt, als der Mann ihn plötzlich los-ließ. Hastig kroch er ein Stück von der Gestalt in der schmutzigen Kutte weg, richtete sich auf und sah sich nach Katrin um. Sie stand nur einen Schritt neben ihm, aber sie blickte nicht ihn, sondern den Bettelmönch an - und für einen Moment schauderte es Tobias, als er ihr Gesicht sah.
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    Da war nichts von all dem, was er empfand - keine Furcht, kein Schrecken, geschweige denn das Entsetzen, das die Erkenntnis begleiten mußte, die Hand gegen einen Mönch erhoben zu haben. Katrins Augen loderten, und der Ausdruck darin war nur noch mit Haß zu beschreiben. Plötzlich war Tobias sicher, daß sie den Mann getötet hätte, hätte sie in diesem Moment eine Waffe in der Hand gehabt.
    Er reagierte auf die instinktive Art eines Kindes - er streckte die Hand aus, packte Katrins Arm, fuhr herum und rannte davon, wobei er das Mädchen einfach hinter sich her-zog. Im ersten Moment ließ sie es geschehen. Tobias erreichte die gegenüberliegende Seite des Marktplatzes, dann erst wagte er, einen Blick über die Schulter zu werfen. Der Bettelmönch hatte sich erhoben, stand aber noch immer vor Schmerzen gekrümmt da; Vater Hegenwald war vor ihn
    getreten und redete nun mit ebenso

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