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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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benutzte, lag noch an derselben Stelle, an der er ihn das letzte Mal zurückgelassen hatte. Es war ein guter Stock: ein Weidenzweig, fast gerade und eine Handbreit größer als Tobias selbst, biegsam genug, selbst der Kraft eines fünf Pfund schweren Fisches zu widerstehen.
    Sorgfältig befestigte er die Schnur an der kleinen Kerbe, die er in sein Ende geritzt hatte, und sah sich noch einmal nach Katrin um, ehe er die Leine ins Wasser warf.
    Sie schwamm noch immer im Wasser, ein schlanker brauner Schatten im glitzernden Silberblau des Sees, und sie war weit genug entfernt, daß er keine Gefahr lief, sie versehentlich zu verletzten. Tobias hatte einmal gesehen, welch entsetzliche Wunden ein so winziger Angelhaken ins Fleisch eines Menschen reißen konnte; der Anblick hatte ihn so mitgenommen, daß er volle vier Wochen lang nicht mehr
    angeln konnte.
    Katrins ausgelassenes Herumtoben im Wasser hatte noch einen anderen, erfreulichen Nebeneffekt: ihre Bewegungen 75
    verscheuchten die Fische aus der Mitte des Sees, so daß er nur wenige Augenblicke zu warten brauchte, bis der Weidenzweig in seiner Hand das erste Mal zuckte. Rasch zog er den Fisch heraus und stellte enttäuscht fest, daß es nur ein kümmerlicher Grünling war; kaum so lang wie sein Zeigefinger.
    Es lohnte sich kaum, ihn mit nach Hause zu bringen, so daß er sich entschied, ihn wieder ins Wasser zu werfen.
    Als ärgere sich der See, daß er sein Opfer verschmäht hatte, dauerte es sehr lange, bis der zweite Fisch anbiß.
    Dafür war es eine um so fettere Beute: Die Angel spannte sich mit einem Ruck, der sie Tobias um ein Haar aus der Hand gerissen hätte. Er machte einen unsicheren Schritt, suchte nach festem Halt, bis er schließlich bis zu den Waden im Wasser stand und die Angel in seiner Hand noch immer wie wild zuckte. Er versuchte vergeblich zu erkennen, was für einen teuflischen Fisch er gefangen hatte: über seinem Köder sprudelte das Wasser, als koche es, und er sah nur ein undeutliches Aufblitzen in den Wogen.
    Tobias zog und riß mit aller Macht an seiner Angel, aber der Fisch stand ihm an Körperkraft kaum nach; doch dann verlor Tobias völlig den Halt und mußte sein Opfer fahren lassen.
    Tobias blickte einen Herzschlag lang verblüfft auf den Weidenzweig in seinen Händen, ehe er aufsah - und einen überraschten Laut ausstieß.
    Das Wasser hatte aufgehört zu brodeln, plötzlich aber stand Katrin vor ihm und hielt einen zappelnden, riesigen Barsch in den Händen. Obwohl es ihr große Anstrengung bereiten mußte, den tobenden Fisch zu bändigen, lachte sie laut. Der Schwanz des Fisches klatschte immer wieder gegen ihren nackten Oberarm, und Tobias wußte, wie schmerzhaft diese Hiebe sein konnten. Aber sie schien es gar nicht zu spüren.
    Hastig ließ Tobias seine Angel fallen, watete zu ihr und packte mit beiden Händen zu. Aber selbst zu zweit gelang es ihnen nicht, den Fisch zu bändigen; er entglitt seinen Fingen immer wieder und hätte sich beinahe losgerissen. Tobias wollte sich umwenden, um zum Ufer zu waten und einen 76
    Stein zu nehmen, mit dem er den Barsch erschlagen konnte, aber da schob Katrin ihn mit einer unwilligen Bewegung zur Seite, holte aus - und schleuderte den Fisch in hohem Bogen ans Ufer. Tobias konnte hören, wie er irgendwo im Gebüsch aufschlug.
    Einen Moment lang starrte er Katrin fast entsetzt an. Sie lächelte triumphierend. Wahrscheinlich verstand sie gar nicht, warum er so erschrocken war.
    Und er erklärte es ihr auch nicht, sondern hastete zum Ufer, um nach dem Fisch zu suchen.
    Er fand ihn nicht. Deutlich hörte er das Klatschen und Schlagen seines Schwanzes auf dem Boden, aber das Unterholz war an dieser Stelle so dicht, daß er ihn nicht sogleich entdecken konnte. Er kam auf die Idee, sich nach der Angelschnur zu bücken und den Fisch damit aus dem Dickicht herauszuziehen. Mit einem Stein bereitete er der Qual des Fisches ein Ende.
    Dann plötzlich stand Katrin neben ihm. Sie hatte ihr Kleid aufgehoben, zog es aber nicht an, sondern benutzte es, um sich damit abzutrocknen. In ihren Augen funkelte es spöttisch, als sie den Kopf in den Nacken warf, um sich das Haar abzutrocknen.
    »Warum hast du das getan?« fragte er vorwurfsvoll. »Kein Tier sollte so lange leiden.«
    Katrin lachte; ein glockenheller, zarter Ton, der unnatürlich lange über dem See widerzuhallen schien. Irgendwie ist sie verändert, dachte Tobias. Sie waren oft am See gewesen und doch hatte er das Gefühl, sie noch nie so gesehen zu

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