Wolfgang Hohlbein -
bestellt einen Inquisitor, um eine Frau aus Eurer Stadt der Hexerei anzuklagen, und bedient Euch selbst der Schwarzen Magie?«
»Katrin ist so wenig eine Hexe wie ich«, antwortete Theowulf gelassen. »Oder das Kräuterweib.« Er lächelte, als er Tobias' Überraschung bemerkt. »Ihr interessiert Euch für die 104
Wissenschaften, nicht wahr, Pater Tobias? Und Ihr seid ein Mann, dem man nachsagt, daß er um sein schweres Amt weiß und niemals leichtfertig Anklage erhebt.«
»Woher wißt Ihr das?« fragte Tobias überrascht.
»Ich habe gewisse Erkundigungen über Euch eingezogen«, antwortete Theowulf. »Und wenn sie zutreffen, dann solltet Ihr wissen, daß die meisten der sogenannten Schwarzen Künste nichts anderes als angewandte Wissenschaft sind.
Nicht, daß sie verstehen, was sie da tun - aber sie können es. Nur hat es in diesem Fall nichts genutzt. Der See ist verhext, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel.«
»Ich verstehe nicht recht«, gestand Tobias. »Ihr glaubt nicht, daß Katrin eine Hexe ist? Warum habt Ihr mich dann bestellt?«
»Das habe ich nicht«, antwortete Theowulf. »Als ich davon erfuhr, daß Verkolt diesen Brief geschrieben hat, war es zu spät, ihn aufzuhalten. Außerdem habe ich nicht gesagt, daß ich sie für unschuldig halte. Sie hat ihren Mann ermordet. Und vielleicht noch mehr - das wird die Untersuchung ergeben.«
»Ich bin ein Inquisitor, kein Gewaltrichter«, sagte Tobias ärgerlich. »Wenn es sich um einen Mord handelt, der aufzuklären ist, dann ruft die weltliche Gerechtigkeit.«
»Ich habe Euch nicht gerufen«, erinnerte ihn Theowulf noch einmal. »Aber Ihr seid nun einmal hier. Und ich glaube, Ihr seid der richtige Mann für diese Aufgabe. Natürlich könnt Ihr gehen und Katrin dem Richter überlassen, aber Ihr wißt so gut wie ich, daß das Urteil dann im Grunde schon feststeht.«
»Nur dann?« fragte er Tobias. »Haltet Ihr sie nicht auch bereits für schuldig?«
»Sie ist es«, bestätigte Theowulf. »Zumindest meiner Überzeugung nach. Aber ich will mich nicht zum Herrn über Leben und Tod aufschwingen. Nein, nein - dieses undankbare Geschäft überlasse ich Männern wie Euch.«
Er lachte, aber sein Lachen klang kalt und herzlos.
»Ihr seid also der Überzeugung, daß Katrin ihren Mann umgebracht hat?« setzte Tobias erneut an.
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Theowulf nickte.
»Warum? Die Geschichte, die mir Bresser gestern erzählte, hörte sich eher nach einer schweren Krankheit an.«
»Oder einem langsamen Vergiften«, fügte Theowulf hinzu.
»Verkolt war der Apotheker in Buchenfeld - hat Euch das Bresser nicht erzählt?«
»Nein.«
»Aber er war es. Früher einmal gab es sogar einen Arzt in Buchenfeld, aber er wurde krank und starb.« Theowulf lachte. »Ist das nicht sonderbar?«
»Nicht im geringsten«, antwortete Tobias.
Theowulf zuckte mit den Schultern. »Wenn man die ganze Geschichte kennt, schon«, behauptet er. »Ihr müßt wissen, daß Buchenfeld fast zwanzig Jahre lang von allen schweren Krankheiten verschont geblieben war. Niemand wurde
ernsthaft krank. Ein paar Frauen starben im Kindbett -
nichts sonst, keine Schwindsucht, kein Aussatz. Niemand wurde krank, nur der Arzt.«
»Ich finde das keineswegs sonderbar«, beharrte Tobias, aber Theowulf ignorierte den vorwurfsvollen Klang seiner Stimme - oder nahm ihn tatsächlich nicht zur Kenntnis. Er lachte bloß.
»Ihr habt keinen Sinn für Humor, Tobias«, sagte er. »Das Leben ist so hart, daß man auch seinen Schattenseiten noch etwas abgewinnen sollte. Aber zurück zum Thema: Der Arzt starb vor fünf Jahren, und es kam kein neuer.«
»Warum nicht?«
»Wozu?« fragte Theowulf anstelle einer Antwort. »In einem Ort ohne Krankheiten braucht es keinen Quacksalber, genauso wie eine gottesfürchtige Gemeinde keinen Priester braucht, damit die Menschen ihr Seelenheil erlangen.«
Tobias zuckte zusammen. Die Worte des Grafen waren
anmaßend und warfen ein schlechtes Licht auf seinen Glauben. Jetzt wußte der Dominikaner, wie der einfältige Bresser auf seine gefährlichen und ketzerischen Gedanken gekommen war.
»Es blieb nur Verkolt«, fuhr Theowulf fort. »Er war ein alter Mann, aber auch ein Mann mit Erfahrungen. Er kannte 106
sich aus, wenn Ihr versteht. Manche behaupten, er verstünde sich ebensogut auf die Heilkunst wie ein richtiger Arzt. Es bestand keine Notwendigkeit, einen Doktor nach Buchenfeld zu holen. Buchenfeld ist eine arme Stadt. Die Leute haben gerade genug für sich und manchmal nicht einmal das.
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