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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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meinem Schloß, die . . .«
    »Ich weiß«, unterbrach ihn Tobias. »Aber das ist nicht nötig. Sie hat das Schlimmste bereits überstanden, hoffe ich.«
    Theowulf deutete ein spöttisches Kopfnicken an. »Ich verstehe«, sagte er. »Ihr verzichtet doch lieber darauf, die Schwarze Kunst anzuwenden.«
    Darauf antwortete Tobias gar nicht. Er hatte das Gefühl, als spielte der Graf mit ihm, so wie er mit Bresser spielte, mit seiner Frau, vielleicht mit der ganzen Stadt.
    Theowulf schien das Unbehagen des Mönchs zu spüren
    und wechselte unvermittelt das Thema. »Ihr müßt mich auf meinem Schloß besuchen, Pater Tobias«, sagte er. »Ich werde Euch meine Bibliothek zeigen. Sie wird Euch gefallen.
    Überdies ist es bei mir viel bequemer als in Bressers Haus.
    Es ist eine Schande, wie er es verfallen läßt. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr bei mir wohnen, solange Eure Untersuchungen dauern.«
    Tobias schüttelte den Kopf. »Es ist besser, ich bleibe in der Stadt«, sagte er. »Ich werde mit vielen Leuten reden müssen.
    Aber ich komme sicher auf Euer Angebot zurück. Ich bin neugierig auf Euer Schloß.«
    109

5
    Theowulf und er aßen gemeinsam zu Mittag, und danach saßen sie sicherlich noch zwei Stunden beisammen und redeten - über das Reich und den Kaiser, über das mächtige Lübeck und die Dominikaner, nur nicht über Katrin.
    Geschickt überging Tobias die Andeutung, die Theowulf in seine Rede einflocht. Er wollte zunächst mit Katrin sprechen, bevor er etwas von ihrer gemeinsamen Geschichte preisgab. Schließlich verlangte die Natur ihr Recht: Tobias hatte eigentlich vorgehabt, mit seinen Nachforschungen in Buchenfeld zu beginnen, nachdem der Graf die Stadt verlassen hatte, aber die Müdigkeit überwältigte ihn schier. Er begab sich auf sein Zimmer und löste Maria bei ihrer Kran-kenwache an Katrins Bett ab.
    Er schlief ein, kaum daß sie das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich zugezogen hatte.
    Als er erwachte, war die Sonne bereits untergegangen.
    Alle Dinge im Zimmer verschwammen in einem matten,
    grauen Licht, und es war empfindlich kühl geworden.
    Katrin war wach.
    Er wußte es, noch bevor er sie angesehen hatte. Es war, als fühle er ihren Blick wie eine sanfte Berührung, die er zu lange, viel zu lange vermißt hatte. Sie war bei Sinnen, und der Blick ihrer Augen, noch immer vom Fieber ver-schleiert, glitt über sein Gesicht, seine Hände, seine ganze Gestalt.
    Tobias' Kehle war wie zugeschnürt. Kein Wort brachte er hervor, fast als habe ein böser Geist ihm die Sprache geraubt. Sie war es: seine Katrin. Hatte er wirklich geglaubt, daß die vergangenen Jahre irgend etwas geändert, ihn irgend etwas vergessen gemacht hätten? Es stimmte nicht. Schmerz wühlte in ihm, Schmerz über die verflossenen Jahre, und dann tat er etwas, was vermutlich die ganze Stadt gegen ihn aufgebracht hätte; er segnete sie.
    Schließlich war sie es, die das lange, atemlose Schweigen brach. Ihre Stimme klang dünn und brüchig und ließ ihn 110
    schaudern; und zugleich schien sie ihm wie die Musik eines Engels.
    »Bist du es wirklich?« fragte sie.
    Tobias konnte nicht sofort antworten. Er lächelte ein flüchtiges Lächeln und spürte, wie ihm Tränen in die Augen traten, und dann fiel ihm ein, daß er in all der Zeit nie geweint hatte oder einen seiner Mitbrüder hatte weinen sehen. Mönche kannten keine Tränen.
    »Wie lange bist du schon wach?« fragte er.
    »Lange«, antwortete Katrin. »Eine Stunde, zwei, eine halbe . . . ich weiß es nicht. Lange genug.«
    »Warum hast du mich nicht geweckt?«
    »Warum sollte ich?« erwiderte Katrin. »Es gab keinen Grund. Außerdem wollte ich dich ansehen. Du hast dich verändert, und doch habe ich dich sofort erkannt.«
    »Es ist viel Zeit vergangen, seit . . .«
    Katrin hustete; ein trockener, qualvoller Laut, bei dem sich ihr Körper unter der dünnen Decke aufbäumte. Tobias sprang hastig auf, griff nach dem Wasserkrug, der neben ihm auf dem Boden stand, und füllte den Becher. Katrins Haut fühlte sich noch immer heiß und fiebrig an, als er ihren Kopf anhob und mit der anderen Hand den Becher an ihre Lippen setzte. Sie trank in großen, gierigen Schlucken. Ihre Lippen waren spröde und ausgetrocknet. Als sie den Becher geleert hatte, bat sie Tobias mit Blicken um einen zweiten. Er schüttelte den Kopf.
    »Später«, sagte er. »Du würdest nur alles wieder von dir geben, wenn du jetzt zu schnell trinkst.«
    »Hast du mich aus dem Kerker befreit?« fragte sie.
    Tobias

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