Wolfgang Hohlbein -
angestarrt haben mußte. Er rettete sich in ein Lächeln. »Verzeiht«, sagte er. »Ich war nur . . . ein wenig verwirrt . . . und überrascht. Bresser sagte, ihr kämt erst zur Mittagsstunde.«
»Bresser ist ein Dummkopf«, entgegnete Theowulf freundlich. »Ich trug ihm auf, Euch zu bitten, das Mittagsmahl mit mir einzunehmen.« Er seufzte, warf dem dicken Mann einen spöttischen Blick zu und wedelte mit der Hand.
»Du kannst gehen, Bresser. Ich begleite Pater Tobias zurück in die Stadt. Geh und sage deinem Weib, sie soll eine gute Portion von ihrem vorzüglichen Braten bereiten.«
Bresser entfernte sich so schnell, daß es fast wie eine Flucht wirkte. Tobias war erstaunt, wie schnell er auf seinen kleinen kurzen Beinen zu laufen imstande war. Als er Bresser nachblickte, fiel ihm erst auf, daß der Graf nicht allein 102
gekommen war: Einen Steinwurf entfernt warteten zwei Männer in schwarzen Mänteln. Drei gesattelte Pferde mit Schabracken und schweren, ledernen Sätteln standen ein Stück abseits.
»Leider wußte ich nicht, daß wir Euch hier treffen würden«, sagte Theowulf, als er seinem Blick folgte. »Sonst hätte ich noch ein Pferd mitgebracht.«
»Der Weg ist ja nicht weit«, antwortete Tobias.
»Und im Gehen redet es sich besser«, fügte Theowulf hinzu. »Ihr habt Recht, Pater. Dann laßt uns reden. Wir haben viel zu besprechen.« Er wartete auch jetzt eine Entgegnung gar nicht ab, sondern gab den beiden Männern einen Wink, ihm und Pater Tobias zu folgen, und wandte sich zur Stadt.
Tobias zögerte. Er hatte sich seine erste Begegnung mit dem Grafen anders vorgestellt. Zwar war er insgeheim froh, daß sie nicht sofort in Streit geraten waren, aber Theowulf hatte auf eigentümliche Weise das Gespräch sofort an sich gerissen. Er diktierte Tobias, worüber sie sprachen, nicht umgekehrt.
»Woher wußtet Ihr, daß wir hier sind?« fragte er, während sie langsam nebeneinander nach Buchenfeld zurückgingen
- nicht in direkter Richtung, denn das hätte bedeutet, wieder in den fauligen Wind hineinzutreten.
»Am Pfuhl?« Theowulf zuckte mit den Schultern. »Gar nicht. Ich sah Euch in den Wald gehen. Und ich dachte mir, daß Bresser Euch den Pfuhl zeigen wird. Jeder, der zum ersten Mal hierher kommt, sieht ihn sich an. Seid Ihr beeindruckt?«
Tobias machte eine vage Bewegung. »Ein anderes Wort wäre mir lieber«, sagte er.
»Erschüttert?« Theowulf lachte. Der Mann irritierte Tobias immer mehr. Er sah wie ein großer, fröhlicher Junge aus. Aber auf der anderen Seite waren seine Schritte fest und sicher, und als er ging, da ruhte sein Handgelenk auf dem Griff des Schwertes, und sein Blick irrte immer wieder hierhin und dorthin und suchte die Felder vor ihnen ab. Sein Körper spricht die Sprache eines Ritters, dachte Tobias verwirrt.
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»Bresser erzählte mir, daß es bis vor zwei Jahren einfach ein See war«, sagte er, als das Schweigen zwischen ihnen unbehaglich zu werden begann.
»Das stimmt.«
»Was ist damit geschehen?«
Theowulf sah ihn an und lächelte. »Hat Bresser Euch das nicht gesagt? Die Hexe hat ihn vergiftet.«
»Ich bitte Euch!« Tobias seufzte. »Von einem Mann wie Bresser erwarte ich einen solchen Unsinn. Aber von Euch?«
»Ihr schmeichelt mir, Pater.«
Die Stimmung zwischen ihnen begann sich zu entspan-
nen. Schweigend gingen sie die nächsten Schritte. Jeder schien seinen Gedanken nachzuhängen und sich ein Bild vom anderen zu machen. Tobias dachte daran, daß er noch vor einer Woche auf der Burg in Lübeck gewesen war, seinem geliebten Kloster, und nun hier mit dem seltsamsten Grafen einherschritt, der ihm je begegnet war. Doch wie hieß es in der Bibel: Die Wege des Herrn waren mitunter unerforschlich.
»Ihr habt recht, Tobias«, knüpfte Theowulf nach einer Weile an das unterbrochene Gespräch an. »Bresser ist ein Narr. Aber seine Erklärung ist so gut wie jede andere. Die Wahrheit ist - ich weiß nicht, was mit dem See geschah.
Niemand weiß das.« Er seufzte. »Glaubt nicht, daß ich es mir leicht gemacht habe. Drei Teufelsaustreiber haben sich den Pfuhl angesehen und versucht, die Geister auszutreiben, darüber hinaus zwei Alchimisten und . . .« Er zögerte einen winzigen Moment, dann lachte er fast spitzbübisch und fügte in übertriebenem Verschwörerton hinzu: ». . . ein altes Kräuterweib, das eine Tagesreise entfernt im Wald haust und sich auf die Schwarzen Künste versteht.«
Tobias blieb überrascht stehen. »Hexerei?« entfuhr es ihm.
»Ihr
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