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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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etwas anderes sagte, als er ursprünglich vielleicht vorgehabt hatte. »Wir hatten einen Sohn«, sagte er. »Aber es hat dem Herrn gefallen, ihn zu sich zu rufen. Vor fünf Jahren.«
    »Das tut mir leid«, sagte Tobias ehrlich. »Aber Ihr wißt, einzig unser Herr lenkt unseren Weg.«
    »Vielleicht ist es besser so«, antwortete der Müller. »Wozu einen Sohn haben, wenn nichts da ist, was ich ihm hinterlassen kann?«
    »Es wird eine neue Ernte geben«, sagte Tobias.
    »Und? Niemand wird sein Korn noch bei mir mahlen lassen.«
    Tobias wollte antworten, aber er konnte es nicht. Die Verbitterung in den Worten des Mannes war zu groß. Für ihn schien es keinen Trost mehr zu geben.
    Tobias segnete ihn und verabschiedete sich mit einem stummen Kopfnicken. Ohne ein Wort gingen sie zu den Pferden zurück und saßen wieder auf.
    Und sie schwiegen auch weiter, bis sie sich ein paar Meilen vom Fluß und der Mühle entfernt hatten.
    »Er ist ziemlich verbittert«, sagte Tobias schließlich.
    »Der Müller?« Bresser drehte sich ungeschickt im Sattel herum, um ihn anzusehen, und fiel dabei fast vom Pferd.
    Hastig klammerte er sich an den groben Hanfstrick, den er als Zügel benutzte, und suchte wieder festen Halt auf dem Rücken des Tieres, ehe er weitersprach. »Ja - und warum auch nicht? Er sagt die Wahrheit.«
    »Was die Hexe angeht?«
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    »Auch das«, antwortete Bresser. »Aber nicht nur. Selbst wenn es morgen wieder besser würde - niemand wird sein Korn mehr bei ihm mahlen lassen.«
    »Aber es ist doch nicht seine Schuld!« sagte Tobias.
    »Und?« Bresser lächelte bitter. »Ihr wißt, wie die Leute sind, Pater Tobias. Sie sagen das eine und tun das andere. Er tut mir leid. Das Schicksal war hart zu ihm. Zuerst hat er Frau und Sohn verloren, und jetzt das?«
    »Seine Frau und seinen Sohn?« vergewisserte sich Tobias.
    »Oh, Ihr wundert Euch?« Bresser deutete ein Achsel-
    zucken an. »Sie ist seine zweite Frau. Sie heirateten vor drei Jahren, aber Gott schenkte ihnen bisher keine Kinder mehr.
    Wahrscheinlich ist er zu alt.«
    Tobias sah ihn nachdenklich an. Etwas an dem, was Bresser ihm da erzählt hatte, war wichtig; ungemein wichtig.
    Aber jedes Mal, wenn er nach dem Gedanken greifen wollte, schien er ihm zu entschlüpfen. »Ich werde für ihn beten«, sagte er schließlich.
    Bresser lächelte. »Tut das, Pater«, sagte er, und seine Worte klangen wie grober Spott.
    Bresser ritt recht schnell, so daß Tobias sein Pferd antrei-ben mußte - was ihm nicht leichtfiel, denn er war kein sonderlich geübter Reiter. Zudem hatte ihm Bresser - ob absichtlich oder nicht, vermochte er nicht zu sagen - eindeutig das schlechtere Tier gegeben, während er selbst ein Pferd ritt, dem auch eine weitaus schnellere Gangart keine Mühe bereitet hätte. So ritten sie fast eine Stunde schweigend mehr hinter- als nebeneinander her, und Tobias war wirklich erleichtert, als Tremsers Hof endlich vor ihnen auftauchte: ein überraschend großes, gepflegtes Gehöft, aus dem ihnen schon von weitem ein geschäftiges Hämmern, Sägen und die Stimmen zahlreicher Männer entgegenschall-ten.
    Sie näherten sich dem Gehöft von der Rückseite, so daß sie die niedergebrannte Scheune erst sahen, als sie den Hof schon fast erreicht hatten. Der Brand mußte schon einige Zeit her sein - oder Temser und seine Helfer hatten sehr schnell gearbeitet, denn das Gebäude war schon fast zur 160
    Gänze wieder aufgebaut: ein doppelstöckiger, sicherlich dreißig Schritte im Geviert messender Bau mit einer Dach-konstruktion aus frisch geschlagenem Holz, auf der einige Männer bereits damit beschäftigt waren, gewaltige Reetbündel zu befestigen.
    Der Anblick überraschte Tobias. Nach allem, was er bisher erlebt hatte, hatte er einen kleinen Hof erwartet, ärmlich bis schmutzig, auf dem eine Handvoll Menschen ums Überleben kämpfte.
    Das genaue Gegenteil war der Fall. So gewaltig die
    Scheune war, wirkte sie doch nicht riesig, denn sie paßte in ihren Abmessungen zu den übrigen Gebäuden des Hofes.
    Das Wohnhaus, in dem auch die Ställe untergebracht waren, war gleichfalls geräumig, und es gab eine zweite, etwas kleinere Scheune, sehr alt, aber in gutem Zustand. Durch die offenstehende Tür konnte Tobias gleich zwei Ochsenkarren erkennen, und eine dritte, zweirädrige Kutsche war neben dem Wohnraum abgestellt.
    Ihre Ankunft blieb nicht unbemerkt. Einige der Männer auf dem halbfertigen Scheunendach hörten auf zu arbeiten und blickten neugierig zu den beiden

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