Wolfgang Hohlbein -
recht ansehnlicher Besitz, fand Tobias - für einen kleinen Landgrafen, dessen Namen zwei Tagesreisen entfernt niemand mehr kannte.
Ihr Kommen war bemerkt worden. An einer Seite des
Mühlenhauses öffnete sich eine niedrige Tür, als sie aus den Sätteln stiegen, und ein grauhaariger Mann mit weißer Schürze trat heraus. Er musterte den Dominikanerpater mit unverhohlener Neugier.
Tobias nickte dem Mann zu, blieb aber reglos stehen, bis auch Bresser abgestiegen war und die beiden Pferde mit den Zügeln aneinandergebunden hatte; eine vielleicht ungewöhnliche, aber durchaus wirkungsvolle Art und Weise, sie am Fortlaufen zu hindern. Erst danach schritten sie zur Mühle.
Da sich das Gebäude mitten im Fluß erhob, mußten sie über einen schmalen, geländerlosen Steg gehen, der die Plattform mit dem Ufer verband. Sie war nicht sehr sorgsam verarbeitet - die Balken ächzten unter Tobias' und Bressers Schritten, und hin und wieder spritzte Wasser auf. Ein leich-152
ter, muffiger Geruch fiel Tobias auf, der vom Fluß ausging.
Er war lange nicht so schlimm wie der Gestank des Pfuhls
- aber er erinnerte ihn daran. Alarmiert blieb er stehen und sog prüfend die Luft ein.
»Ihr habt völlig recht, Vater«, sagte Bresser, als hätte er seine Gedanken gelesen.
»Womit?«
Bresser deutete auf den Fluß. Das Wasser schoß schäu-mend unter ihren Füßen dahin, aber es war hier nicht mehr blausilbern, sondern leicht bräunlich. »Mit dem, was Ihr denkt«, sagte er. »Auch der Fluß beginnt zu verderben. So fing es am Pfuhl auch an.« Er wirkte plötzlich sehr ernst.
»Wenn sich sein Wasser ebenso verwandelt, dann werden wir die Stadt aufgeben müssen.«
Sie gingen weiter. Der Müller mußte Bressers Worte
gehört haben, denn er hatte nur wenige Schritte entfernt gestanden, aber er sagte nichts dazu. Er begrüßte sie nicht einmal, sondern wiederholte nur sein angedeutetes Nicken und wies mit einer ebenso knappen Handbewegung auf die offenstehende Tür hinter sich. Bresser signalisierte Tobias mit Blicken, nichts zu sagen, und trat mit gesenktem Kopf in die Mühle. Der Mönch folgte ihm.
Im Innern war es so dunkel, daß er im ersten Moment fast nichts sah. Ein riesiges Wasserrad, das nur zu einem Drittel aus dem Boden ragte, knarrte vor sich hin. Der Raum war so feucht, daß sich Tobias sogleich fragte, wieso hier noch nicht alles verschimmelt und vermodert war. Wenn der Müller tatsächlich hier lebte, dann mußte er spätestens nach einem Jahr die Gicht in den Knochen haben.
Der Boden unter ihren Füßen ächzte, als der Müller hinter ihnen hereinkam. Tobias drehte sich zu ihm herum und sah, daß er trotz seines kleinen Wuchses ein sehr schwerer Mann war, mit groben Händen, auf denen die Arbeit mit dem Mühlstein ein Geflecht tiefer Narben hinterlassen hatte.
Eines seiner Augen war trüb.
»Du bist der Inquisitor, der gekommen ist, um die Hexe zu verbrennen?« begann er recht mürrisch.
Tobias setzte zu einer Antwort an, aber Bresser kam ihm 153
zuvor. »Das ist Pater Tobias, Müller«, sagte er. »Er ist aus dem stolzen Lübeck zu uns gekommen, um die Angelegenheit . . .« Er räusperte sich und warf Tobias einen fast beschwörenden Blick zu. ». . . zu untersuchen. Ich soll dir vom Grafen ausrichten, daß er auf alle Fragen Antworten bekommen soll.«
Der Müller maß Bresser mit einem Blick, der deutlicher als alle Worte sagte, was er von dem hielt, was der Graf ihm ausrichten ließ. Tobias registrierte dieses Verhalten sehr aufmerksam. Graf Theowulf schien nicht nur Freunde zu
haben.
Aber der Müller entgegnete nichts, sondern ging einfach an Bresser vorbei zu einem Stapel Säcke hinter dem Wasserrad und machte eine grobe Handbewegung. Tobias folgte ihm, während Bresser mit sichtlichem Unbehagen stehenblieb und abwechselnd das Wasserrad und den gewaltigen Mühlstein ansah, die sich quietschend drehten. Tobias mußte noch einmal an Bressers Worte denken: Wenn es etwas zu mahlen gibt.
»Hier«, sagte der Müller, als Tobias vorsichtig um den riesigen Stein herumgetreten war und hinter ihm stehenblieb.
»Seht es euch nur an.«
Er zog ein Messer unter der Schürze hervor, rammte es bis zum Heft in einen der Säcke hinein und schlitzte ihn von einem Ende bis zum anderen auf.
Tobias wich unwillkürlich einen halben Schritt zurück -
und riß erstaunt die Augen auf. Er hatte weißen Mehlstaub erwartet, aber was aus dem Sack herausquoll, war eine widerwärtige, übelriechende Masse, die an der Messerklinge
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