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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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Blätterkrone des Eichenwaldes hinausragte - entweder war dieses Gebäude sehr alt und die Bäume zu der Zeit, als man es erbaut hatte, noch nicht so gewaltig gewesen, oder es war seinen Erbauern mehr darauf angekommen, es zu verstecken als wehrhaft zu 172
    gestalten. Tobias' kundiges Auge, zu dessen zahlreichen Interessen auch die Architektur gehörte, erkannte sofort, daß die Burganlage zwar einfach, aber trotzdem klug durch-dacht war: ein möglicher Angreifer hätte sich jählings in einem Gewirr von Winkeln, Kanten, Ecken und Mauervor-sprüngen wiedergefunden, das ihn unbeweglich und somit zu einer hilflosen Zielscheibe für alle machte, die auf der Mauerkrone oder dem Turmdach standen. Theowulfs
    Schloß erinnerte ihn mehr als alles andere an eine Raubrit-terburg.
    Bresser bestätigte Tobias' Vermutung mit einem Kopfnicken. »Das ist richtig«, sagte er. »Die Vorfahren des Grafen waren Raubritter.« Er warf Tobias einen langen, sonderbaren Blick zu. »Aber er hört das nicht gerne. Sprecht ihn nicht darauf an, wenn er das Thema nicht von sich aus anschneidet.«
    Der Rat war ehrlich gemeint. Aber allein die Tatsache, daß er schon wieder versuchte, ihm etwas vorzuschreiben -
    und sei es in bester Absicht -, machte Tobias zornig. Und diesmal hielt er nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg.
    Sie hatten sich dem offenstehenden Burgtor bis auf einen Steinwurf genähert, aber jetzt verhielt er sein Pferd noch einmal, und auch Bresser zerrte mit einem Ruck an den Zügeln, so daß sein Tier ärgerlich den Kopf in den Nacken warf und zu tänzeln begann.
    »Jetzt hört mir einmal zu, Bresser«, begann Tobias scharf.
    »Seit ich hier bin, versucht Ihr mir zu erklären, was ich zu tun und nicht zu tun, was ich zu sagen und besser nicht zu sagen habe. Ich bin durchaus in der Lage, mir selbst eine Meinung zu bilden. Habt Ihr das verstanden?«
    Bresser starrte ihn an. Seine Kiefer mahlten, und für einen Moment blitzte es in seinen Augen beinahe so zornig auf wie vorhin, als er sich mit dem Bauern gestritten hatte. Er nickte zögernd.
    »Wie Ihr befehlt, Pater Tobias«, sagte er steif. »Ich wollte Euch nur . . .«
    »Es ist mir völlig egal, was Ihr wolltet, Bresser«, unterbrach ihn Tobias. »Ich habe Euch gebeten, mir als Führer zu 173
    dienen. Nicht mehr, und nicht weniger. Wenn ich etwas wissen will, dann frage ich. Und wenn ich etwas sagen will, dann sage ich es. Ohne Euch um Erlaubnis zu fragen.«
    »Ganz wie Ihr wollt, Vater«, antwortete Bresser. »Verzeiht meine Unverschämtheit. Es kommt nicht wieder vor.«
    Tobias' eigene Worte taten ihm schon fast wieder leid. Sie waren mehr als angebracht gewesen, aber er hatte den Moment falsch gewählt. Er kannte Menschen wie Bresser nur zu gut und wußte, daß sie dazu neigten, Freundlichkeit und Güte rasch als Schwäche auszulegen.
    Er ritt weiter und überwand die letzten Meter durch das Tor in einem leichten Galopp; mit dem Pferd, das Temser für ihn hatte aufzäumen lassen, eine Leichtigkeit. Der alte Klep-per, auf dem er das erste Stück des Weges zurückgelegt hatte, wäre wahrscheinlich glattweg unter ihm zusammenge-brochen.
    Pater Tobias verscheuchte den Gedanken und konzentrierte sich auf seine unmittelbare Umgebung. Was er vom Inneren der Burg sah - er hatte beschlossen, Theowulfs Heimstatt in Gedanken weiterhin Burg zu nennen -, als er durch das Tor ritt, paßte zu seinem äußeren Anblick: Auch im Innenhof war alles grob und düster. Die Burg bestand nur aus dem mächtigen Mauergeviert und jenem wuchtigen Turm, der ihm jetzt, aus der Nähe betrachtet, noch unheimlicher vorkam; ein gemauertes finsteres Etwas, das einem das Gefühl gab, es müsse jeden Augenblick zusammenbrechen und den Betrachter unter meinen Trümmern begraben. Nicht einmal so sehr sein Aussehen, wohl aber seine Ausstrahlung erinnerten den Mönch an das Turmhaus in Buchenfeld.
    Tobias saß ab. Anders als auf dem Hof des Bauern kam ihnen niemand entgegen, um sie zu begrüßen und die Pferde zu nehmen. Der Innenhof - er maß etwa zwanzig auf drei-
    ßig Schritte - war vollkommen leer, abgesehen von einer Tränke und einem gemauerten Brunnen, über den ein Verschluß aus eisenbeschlagenen Brettern gelegt war. Es gab nur sehr wenige, recht schmale Fenster. Entweder, dachte Tobias, war dieses sogenannte Schloß menschenleer, oder die Mauern verschluckten jeden Laut.
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    Er warf einen fragenden Blick zu Bresser - den der Dicke wie ein trotziges Kind ignorierte - und band den Zügel seines Pferdes

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