Wolfgang Hohlbein -
brach sich beide Beine. Keiner glaubte, daß er je wieder würde laufen können. Katrin heilte ihn.«
Er leerte seinen Becher, seufzte tief und schenkte sich selbst nach. »Ihr seht, Pater, gerade diese beiden sind keine guten Zeugen für Euch.«
»Und Ihr?«
Theowulf schwieg einen Moment. »Ich fürchte, ich auch nicht«, sagte er dann. »Sagte ich Euch bereits, daß ich Euch nicht um Eure Aufgabe beneide?«
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»Ja«, antwortete Tobias. »Das sagtet Ihr.«
»Aber jetzt vergeßt das alles«, sagte Theowulf in verändertem, fast aufgekratztem Ton. »Wir haben noch Zeit genug, uns die Köpfe darüber heiß zu reden. Jetzt erzählt mir, was es Neues in der Welt gibt.«
»Ich fürchte, ich muß Euch enttäuschen«, sagte Tobias. Er bemühte sich, nicht zu alarmiert zu klingen. Theowulf wollte sich ganz sicher nicht einfach nur mit ihm unterhal-ten, um ein paar Freundlichkeiten auszutauschen. Dieser Mann überließ absolut nichts dem Zufall. »Das Leben in den Mauern eines Klosters ist noch abgeschiedener als das in einem Schloß wie Eurem. Ich fürchte, ich weiß weniger über Kaiser und Reich als Ihr.«
»Jetzt stellt Ihr Euer Licht unter den Scheffel«, sagte Theowulf. »Ich habe Euch doch gesagt, daß ich Erkundigungen über Euch eingezogen habe, Pater Tobias - schon vergessen?« Er drohte ihm spöttisch mit dem Zeigefinger. »Wir haben eine Menge gemeinsam, Pater.«
»So? Und was, zum Beispiel?«
»Nun - unsere Liebe zur Wahrheit, zum Beispiel«, antwortete Theowulf. »Ich weiß, daß Ihr ein aufrechter Mann seid. Selbst unter Euren eigenen Brüdern genießt Ihr einen gewissen Ruf, nicht wahr? Und unser gemeinsames Interesse an der Wissenschaft.«
»Ihr . . . interessiert Euch dafür?«
Theowulf nickte.
»Selbstverständlich. Ihr wart beim Müller, sagtet Ihr?
Dann habt Ihr seine Mühle gesehen.«
»Das ist Eure Konstruktion?«
Theowulf nickte stolz. »Ja«, sagte er, lächelte flüchtig und schränkte ein: »Oder sagen wir - zu einem Teil. Die Idee stammt nicht von mir, sondern aus einem Buch, das ich gelesen habe. Aber ich habe sie konstruiert. Gefällt sie Euch?«
Statt zu antworten, warf Tobias einen Blick auf das Bücherregal neben dem Kamin. Er besaß vier Borde, und alle vier waren gefüllt. Ein wahrer Schatz in einer solch düsteren und entlegenen Gegend.
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Theowulf folgte seinem Blick, abermals gesellte sich Stolz auf seine Züge. »Seht Euch meine Bibliothek ruhig an«, sagte er. »Sie wird Euch gefallen, ich bin sicher.«
Tobias stand auf und ging um den Tisch herum an den Schrank. Er hörte, wie sich auch Theowulf erhob und ihm folgte, aber der Graf trat nicht neben ihm, sondern blieb in zwei Schritten Entfernung stehen.
Eine ganze Weile beschäftigte er sich mit nichts anderem, als die Bücher zu untersuchen. Er las die Titel auf den schweren, in steinhart gewordenes Schweinsleder gebundenen Rücken, nahm den einen oder ändern Band heraus und blätterte darin oder las ein paar Abschnitte. Es waren tatsächlich sehr kostbare Bücher - so wie alle Bücher eine kleine Kostbarkeit darstellten. Und es handelte sich fast ausschließlich um wissenschaftliche Abhandlungen, einige davon über Themen, von denen selbst Tobias noch nie gehört hatte.
Aber unter diesem Schatz aufgehäuften Wissens fand er auch drei oder vier Titel, die ihm nicht gefielen - Bücher, die sich mit verbotenem Wissen beschäftigten, mit Schwarzer Magie und Zauberei und den Irrlehren anderer Religionen. Er stellte eine entsprechende Frage, aber Theowulf zuckte nur mit den Schultern.
»Kennt Ihr nicht auch einige dieser Bücher?« fragte er.
»Das ist etwas anderes«, antwortete Tobias, aber Theowulf unterbrach ihn sofort wieder.
»Wieso? Daß ich diese Bücher besitze, bedeutet doch nicht, daß ich ihnen glaube, oder? Und wie soll man wissen, was richtig oder falsch ist, wenn man sich nicht auch das Falsche anhört? Wie wollt Ihr, zum Beispiel, über eine Hexe urteilen, wenn Ihr nicht wißt, was sie tut und warum?«
Tobias antwortete nicht. Es hätte eine Menge gegeben, was er auf diese Worte hätte sagen können - zum Beispiel, daß sie verdächtig nahe an Ketzerei heranreichten -, aber er hatte wenig Lust, sich jetzt auf einen theologischen Streit mit Theowulf einzulassen. Dazu war er nicht hier. Mit einer demonstrativen Geste klappte er das Buch, das er gerade in der Hand hielt, wieder zu und stellte es auf das Regalbrett zurück.
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»In den Händen so manches anderen Inquisitors könnte das hier
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