Wolfsblues
als ich es bezweckte, musste ich nach jedem Wort Luft holen.
»Ich dachte nur! Du bist so blass um die Nase.«
»Du nicht! Hab ich dir den Riecher gebrochen?« Das hatte ich in der Tat. Sein Gesicht und sein ganzer Oberkörper waren besudelt mit Blut. Seine Nase zeigte einen leichten Drall nach rechts.
»Kannst sie ja nachher richten, Frau Doktor!«
»Wir wäre es mit jetzt?« Es war garstig, doch ich setzte meine letzte Kraft ein und hieb ihm erneut auf die Nase. Ich nutzte die Gelegenheit, als er in die Knie ging, und schlug ihm mit beiden Fäusten hart in den Nacken. Tyler stöhnte leise auf. Doch der sture, zähe Bock ging einfach nicht k. o.! Als ich aufs Neue zuschlagen wollte, spritze er auf und rammte mir seine Stirn gegen das Kinn. Er gab mir eine Kopfnuss auf die Nase. Kurz sah ich Sterne, als der Schmerz sich von meiner Nase bis in den hintersten Winkel meines Schädels explosionsartig ausbreitete. Ich schmeckte mein Blut. Es war nicht wenig und ich spie Unmengen davon aus. Aus einer Wunde, irgendwo am Kopf, lief Blut beinah in mein Auge. Ich wischte es hastig weg.
Mein Gegenüber hatte gleichwohl ordentlich zu knabbern. Weitaus mehr als ich. Tyler schwankte gefährlich und fing das Blut von seiner Nase mit beiden Händen auf. »Drecksau!«, nuschelte er undeutlich. Er war fuchsteufelswild, wie das helle Glimmen seiner sonst dunklen Augen zeigte. Sein Wolf befand sich annähernd an der Oberfläche. Es mochte sein, dass Corwin und Abby eingreifen wollten, wenn er sich wandelte, was ohne jeden Zweifel kurz bevorstand. Dennoch verblieben Tyler ein paar Sekunden Zeit, in denen er seine Zähne in mich schlagen würde.
»Tu das nicht!« Ich streckte ihm meine Hand abwehrend entgegen und versuchte meine neu entdeckte Macht zu benutzen. Tyler tat es zweifellos nicht mit Absicht. Ungezügelte Wölfe konnten die Wandlung in gewissen Situationen, meist, wenn der Mensch scheiterte, einfach nicht mehr verhindern. Meine Kraft versagte, sprang Tyler auf mich zu. Er verwandelte sich in der Luft in ein riesiges Tier, das mich am Arm packte. Alte Wölfe hatten das Kunststück drauf, sich so rapide zu verwandeln, dass man es nicht einmal kommen sah. Ich brauchte meine Zeit zur Wandlung. Nicht sehr lange, aber definitiv ging es bei mir nicht so schnell wie bei Tyler! Warum sinnierte ich über die Verwandlung, während sich ein vor Wut rasender Wolf, in meinen Unterarm verbissen hatte?
»Tyler!« Corwins Bodycheck riss das Tier von mir herunter, doch dessen Zähne saßen nach wie vor in meinem Arm fest. Seine Kiefer umschlossen ihn wie Fangeisen. Abby hieb Tyler auf die Nase, doch er wollte nicht loslassen. Er konnte nicht loslassen … Irgendetwas stimmte nicht! Ich legte meine freie Hand auf Tylers Stirn, schloss die Augen und versuchte erneut meine Macht zu wirken. Seine Kieferknochen entkrampften sich und der Wolf fiel einfach ab von mir. Er rollte zur Seite und verwandelte sich geradewegs zurück in einen Menschen. Es wirkte beileibe nicht so sanft wie vorhin, sondern ruckelig und unter Krämpfen, die ihn weiterhin schüttelten, als er schon lange Mensch war. Das war nicht normal! Schlagartig verebbten die Spasmen und Tyler blieb völlig reglos liegen. Er tat nicht einen Muckser mehr.
»Atmet er noch?«, fragte ich. Als keiner reagierte, wiederholte ich meine Worte erneut. Ich schrie sie, so laut ich konnte.
Kapitel 14
At last …
Ich hatte alles mit einer Engelsgeduld über mich ergehen lassen. Nachdem ich wusste, dass ich Tyler nicht gekillt hatte, war ich jedoch erschöpft eingeschlafen. Jetzt, so kurz nach dem Aufwachen, spürte ich jeden einzelnen Muskel und obendrein sämtliche Dornen, die sich in meinen Körper gebohrt hatten. Daran konnte auch das weiche Bett wenig ändern. Ich widerstand dem Drang, mich zu strecken und zu rekeln. Es hätte mir nicht gut getan. Stattdessen bewegte ich nur meine Zehen. Mein Knie fühlte sich gar nicht so schlimm an. Es tat weh, gleichwohl konnte ich es bewegen. Mein linker Arm brannte und war dick bandagiert, jedoch nur etwa eine Handbreit. Ein Wunder, so wie Tyler sich darin verbissen hatte. Es war merkwürdig, doch ich hatte den Menschen in diesem Moment nicht mehr gespürt. Ich konnte es mir einfach nicht erklären! Mein Blick schweifte zu meiner Rechten auf den Nachttisch. Ich hatte die Rosen unlängst gerochen. Meinem Näschen ging es gut. Es war Gott sei Dank nicht gebrochen. Alle meine Knochen waren heil geblieben. Die Wunde zwischen meinen Augen zwickte ein
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