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Wolfsbrut

Wolfsbrut

Titel: Wolfsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Whitley Strieber
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unterwegs. Ich glaube, wir können es wagen.«
    Sie nahmen ein Taxi. Das schien trotz der Menschenmenge das Sicherste zu sein. Pell Street, das Zentrum von Chinatown, war fröhlich und belebt. Sie stiegen aus dem Taxis aus; Becky fühlte sich etwas entspannter, aber Wilson sah nervös zu Feuerleitern hoch und in dunkle Gassen. Becky suchte ein Restaurant aus, das sie nicht aus den Tagen ihrer Jugendliebe zu Dick kannte, aber auch keine der schäbigen Chop-Suey-Kneipen, die Wilson gewählt haben würde. Er aß gerne Menüs unter zwei Dollar. Und wenn er jemanden einlud, versuchte er stets, noch billiger wegzukommen, wenn sein Opfer nicht sehr auf der Hut war.
    Becky war sehr auf der Hut. Beim Essen sprachen sie wenig, weil er wegen der Kosten schmollte. Jedenfalls dachte sie das, bis er schließlich das Wort ergriff. »Ich frage mich, wie es sein würde.«
    »Wie, um alles in der Welt, kannst du so etwas sagen?«
    »Nur so. Ich habe nur nachgedacht.« Sie sah, daß er aschfahl war. Er preßte mit der linken Hand die Serviette gegen die Brust, als wollte er eine Blutung stillen. »Ich kann diese verdammte Klaue nicht vergessen.« Jetzt zog er die Lippen über die Zähne zurück, Schweiß stand ihm auf Stirn und Wangen. »Ich stelle mir immer vor, wie sie mein Hemd zerreißt und nach mir greift. Weiß Gott, man könnte überhaupt nichts mehr tun...«
    »Einen Augenblick. Hör mir gut zu. Du bekommst Angst. Das kann ich dir nicht verdenken, George, aber du kannst es dir nicht leisten. Du kannst es dir nicht leisten, Angst zu haben! Das dürfen wir nicht zulassen. Wenn wir Angst haben, schlagen sie sofort zu. Ich habe das Gefühl, sie haben es bisher nur noch nicht getan, weil sie gespürt haben, daß wir keine Angst haben.«
    Er lächelte sein bekanntes schiefes Grinsen.
    »Tu das nicht; und ich erwarte, daß du mich ernst nimmst. Hör mir zu: Ohne dich habe ich überhaupt keine Hoffnung mehr.« Ihre eigenen Worte überraschten sie. Wie ernst meinte sie das? So ernst wie ihr Leben, lautete die prompte Antwort. »Wir werden es überstehen.«
    »Wie?«
    Es war eine durchaus unschuldige Frage, offenbarte aber unter diesen Umständen eine Schwäche, die sie nicht gern sah.
    »Wie auch immer, wir werden es. Und jetzt sei still und laß mich in Ruhe weiteressen.«
    Sie aßen mechanisch. Becky fand, daß das Essen wie Metall schmeckte. Sie wollte sich verzweifelt umdrehen, ob die Tür hinter ihr in die Küche oder den Keller führte. Aber wegen Wilson tat sie es nicht. Es hatte keinen Sinn, seine Angst noch durch ihre eigene zu steigern.
    »Vielleicht brauchen wir diese Klaue. Vielleicht ist uns der Chief eher zugetan, wenn wir sie ihm zeigen.«
    »Und ich habe vergessen, Ferguson zu bitten, das verdammte Ding mitzubringen.«
    »Das wird er auch so. Er ist sehr stolz auf diese Klaue.«
    »Kann ich ihm nicht verdenken. Er kann sie anstelle einer Waffe mit sich herumtragen.«
    Wilson kicherte und trank den Rest seines Tees; er hatte seine Angst offenbar vergessen. Aber die Serviette hielt er immer noch zwanghaft an die Brust gepreßt.
    Kaum waren sie im Hauptquartier, gingen sie in Underwoods Büro. Es war eigentlich eine Bürosuite, und im Vorzimmer saß eine Polizistin, wie sie Becky so sehr verabscheute, eine Sekretärin in Uniform. »Sie sind Becky Neff«, sagte die Frau, als die beiden eingetreten waren, »der Chief hat gesagt, daß Sie beide kommen würden. Ich freue mich so, Sie kennenzulernen.«
    »Freut mich auch, Sie kennenzulernen, Lieutenant«, murmelte Becky. »Das ist mein Partner, Detective Wilson.« Wilson stand da und sah unsicher an ihnen vorbei. An der Wand war nichts, das er hätte ansehen können, abgesehen von einer Jagdszene. »Wilson - du wirst vorgestellt.«
    »Oh! Ja, hallo. Haben Sie Zigaretten?«
    »Ich rauche nicht, das mag der Chief nicht.«
    »Was treibt er denn? Wir haben um drei einen Termin bei ihm.«
    »Es ist erst viertel vor Drei. Er ist noch in einer anderen Sitzung.«
    »Noch beim Essen, meinen Sie. Warum lassen Sie mich nicht auf dem Sofa schlafen, das in seinem Büro steht? Ich habe etwa drei Pfund Huhn süßsauer intus und brauche einen Verdauungsschlaf.«
    Die Lieutenant sah Becky an, fuhr aber ohne Unterbrechung fort: »Nein, er ist wirklich da drinnen. Aber er hat ein paar Leute vom Naturgeschichtlichen Museum bei sich, und Dr. Evans...«
    Sie traten ein.
    »Entschuldigen Sie die Verspätung«, knurrte Wilson. »Ihr Vorzimmergenie hat uns aufgehalten.«
    »Sie sind nicht zu spät.

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