Wolfsbrut
nachdrücklich. »Er wollte wissen, ob ich je mit einem kleinen Kerl, einssiebzig, namens Mort Harper, Pomade im Haar, runde Nickelbrille, hier drinnen war. Und du hast nein gesagt.«
»Verdammt, ich hab gar nix gesagt. Nicht ja und nein.« Er sah Neff flehend an. »Der Bursche hat seine Marke gezeigt. Was sollte ich tun? Die Marke zeigen sie nur, wenn's ernst ist.«
Dick kicherte. »Danke, Frenchie«, sagte er. Er legte einen Fünfer auf die Bar und ging. Verdammt anständig von dem kleinen Scheißer, ihm zu sagen, daß Captain Lesser hier gewesen war, um sich zu vergewissern, daß Dick hier Mort Harper getroffen hatte, um das Geld in Empfang zu nehmen. Wie lange ging das schon? Dick konnte sich nicht genau erinnern. Herrgott, es mußten Jahre sein. Und das ganze Geld sofort ins Stranger-Altersheim. Sofort dorthin, damit dem Alten die Zigarren nicht ausgingen.
Der Alte. Wehmut erfüllte ihn, als er an den alten senilen Mann dachte, der einmal so kräftig und so entschlossen gewesen war. Fuhr einen Bus der Linie Red and Tan. Betriebsrente und Sozialrente: Lausige hundertsiebenundsiebzig Dollar neunzig pro Monat. Seniler Verfall, Parkinsonsche Krankheit, Hilflosigkeit, die in Gewalt umgeschlagen war, gelegentliche Anfälle, ein Tausend-DoIlar-im-Monat-Problem. Man gibt seinen alten Herrn nicht in die zarte Obhut des Staates, wenn man das Innere solcher Heime aus erster Hand gesehen hat. »Ich laß dich 'nen Tag lang nackt rumlaufen, du alter Furz, wenn du nicht aufhörst zu zittern. Hör damit auf, du gehst mir auf die Nerven. Okay, Pisser, her mit dem Schlafanzug!« So ging es dort zu. Eine Bande Monster, die den Alten und Hilflosen das Leben zur Hölle machte. »Komm schon, Meerschweinchen, zünd mir die Zigarette an! Verpißter alter Scheißkerl.« Dick hatte gesehen, wie es in den staatlichen Krankenhäusern zuging; ein Spielplatz für sadistische Perverslinge, die sich als Pflegepersonal verkleidet hatten. Nichts für seinen alten Herrn.
Plötzlich zitterte er unbeherrscht unter der Tür der Bar. Er umklammerte den Türgriff, um sich abzustützen, dann ging er in die Bar zurück. Er ließ sich an einem Tisch nieder. »Scheiße, Frenchie«, sagte er, »ich muß was essen. Ich fühle mich beschissen.«
Frenchie brachte einen Hamburger und lauwarme Fritten, und kaum hatte Dick in den Hamburger gebissen, stellte er fest, daß er völlig ausgehungert war. Er schlang den Hamburger hinunter und bestellte noch einen. Dann lehnte er sich zurück und entspannte sich im milden Nebel, den die Drinks erzeugt hatten, und dem Nachgeschmack des Essens.
Was, zum Teufel, hatte er vor? Ach ja, die verfluchte Kamera für Becky holen. Scheiße, sie war nur ein Jahr jünger als er, und sie war immer noch verdammt gut im Bett, besonders wenn sie kam. Wie ein gottverdammter weiblicher Güterzug. Gab einem das Gefühl, daß man tatsächlich jemand war. Bei den anderen war das nie so. Sie taten alle nur so, sie wollten aus Gründen, die nichts mit Liebe zu tun hatten, mit einem Polizisten vögeln. Die meisten Professionelle, die einen Beschützer brauchten. Zum Teufel auch, sie boten sich einem förmlich an. Becky wußte es nicht und würde es nie erfahren, wenn es in Dicks Macht lag. Zwischen ihnen existierte etwas ganz Besonderes, das würde ihm keine Professionelle wegnehmen.
Nun, Teufel auch, was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß.
»Frenchie! Bring mir noch eine Bloody!«
Frenchie kam herüber. »Nein, Sir«, sagte er, »das kann ich nicht.«
»Scheiße, warum nicht? Was ist das hier, die Zweigstelle der Heilsarmee?«
»Sie sind im Dienst. Ich kann Sie hier drinnen nicht betrunken machen. Scheiße, Sie sind schon halb angedudelt hier reingekommen. Und jetzt gehen Sie Ihrer Arbeit nach. Ich will nicht, daß sich Bullen hier drinnen betrinken. Macht keinen guten Eindruck beim Revier, das wissen Sie. Gehen Sie anderswo hin.«
»Ich bin nicht im Dienst. Ich bin diese Woche kaltgestellt.«
»Sie tragen eine Waffe, Lieutenant Neff. Ich kann Ihnen keinen Alkohol mehr geben.«
»Jesus Christus, Mr. Rührmichnichtan - okay, ich werde anderswo hingehen. Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt, Frenchie. Gib auf deinen Arsch acht, hast du gehört? Gib gut acht, man kann nie wissen, was auf einen zukommt.«
Frenchie ging kopfschüttelnd davon.
Dick ging hinaus; er wollte sich sofort bei Frenchie entschuldigen und wünschte, er wäre nicht so gemein gewesen, und doch verspürte er den Drang in sich, noch gemeiner zu
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