Wolfsbrut
zitternde Hand auf die Schulter.
»Lassen Sie mich in Ruhe.« Er untersuchte die Wunde. »Bringt ihn weg«, sagte er zu den Arzthelfern. Er sah zu Becky auf. »Er wird es nicht überleben«, sagte er einfach.
Sie legten den Mann auf die Bahre und brachten ihn zum Notarztwagen, dann fuhren sie so schnell es ging ins Krankenhaus. Es war ein Arzt im Wagen, daher kam Evans wieder zu Beckys Auto.
Die anderen Polizisten standen immer noch in einer kleinen Gruppe und betrachteten die blutverschmierten Spuren im Schnee. Einen Augenblick sagte keiner etwas. Was konnte man sagen? Einem Mann waren gerade die Eingeweide freigelegt worden - und er behauptete, ein Hund habe es getan. Der schwer atmende Captain des Reviers kam herüber. »Was, zum Teufel - was, zum Teufel, ist passiert?«
»Baker wurde erwischt.«
»Von was?«
»Etwas hat schätzungsweise zwanzig Zentimeter Fleisch aus ihm herausgebissen und die Eingeweide freigelegt.«
»Was, zum Teufel...«
»Sie wiederholen sich, Sir. Er sagte, es war ein Hund.«
Becky spürte, wie Wilson ihre Schulter umklammerte. Stechende Angst raste durch sie hindurch. »Hör zu, Kindchen«, sagte er mit unnatürlich ruhiger Stimme, »geh ganz unauffällig zu einem der beiden Schneemobile hinüber.« Er hauchte es ihr ins Ohr. »Kannst du ein Schneemobil fahren?«
»Ich denke schon.«
»Gut, denn das mußt du. Geh einfach ganz unbeteiligt«
»Was ist mit unserem Auto?«
»Bleib weg von dem verdammten Auto! Und wenn du bei dem Schneemobil bist, beweg dich! «
Sie stellte keine Fragen, obwohl sie nicht wußte, warum sie das tun sollte. Man muß einem guten Partner vertrauen, und Becky vertraute Wilson so sehr, daß sie alles tat, was er verlangte, ohne nach dem Grund zu fragen. Er würde dasselbe für sie tun. Verdammt, er hatte es oft genug getan.
Während sie schlenderte, stellte sie fest, daß er auf Umwegen in dieselbe Richtung ging, er näherte sich immer mehr den Schneemobilen, ohne es besonders auffällig zu machen.
»Jetzt, Becky!«
Sie sprangen, die Eisschlitten sprangen an, sie schlitterten auf den verschneiten Gehweg, Becky kippte, richtete sich wieder auf und fuhr direkt die Mall hinunter, die sich bis zum Park East Drive und den sicheren Straßen erstreckte. Sie hörte einen Ruf hinter sich, den ungläubigen Ruf eines Polizisten, der sah, daß zwei Kollegen ihre Fahrzeuge gestohlen hatten. Dann war noch etwas anderes da, ein grauer Schemen, der sich flink wie der Wind bewegte, eine wütend pulsierende Masse aus Haar und Muskeln. Und sie wußte, was geschehen war. »O Gott«, sagte sie leise beim Fahren. Sie drehte das Gas ganz auf, und der Schlitten raste über den Schnee, hüpfte und bebte und drohte jeden Augenblick ins Schleudern zu geraten. Dreißig. Vierzig. Fünfzig. Blieb das Ding zurück? Sie riskierte einen Blick. Großer Gott, es war direkt hinter ihr. Es hatte die Zähne entblößt, und sein Gesicht, etwas Unglaubliches, war von Haß und Wut und Anstrengung verzerrt. Sie quälte sich ein Schluchzen ab und fuhr einfach weiter. Einen Augenblick war der Atem des Dings deutlich zu hören, dann blieb es zurück, blieb zurück, gab kurze, abgehackte Laute von sich, Laute unverhohlener Wut! Es verschwand, und die Schlitten verließen die Mall, brachen durch niederes Gestrüpp, schossen auf die Straße und rasten dem Parkeingang Fifth Avenue entgegen. Vor ihnen befanden sich das Plaza Hotel und das General Motors Building. General Sherman mit seinem ständigen Toupet aus Taubenkot. Pferdedroschken, die in einer Reihe warteten; der dampfende Atem der Pferde. Dann hielten sie an, brachten die Schlitten vor dem emsigen Eingang des Hotels zum Stillstand. »Wir sind im Plaza«, knurrte Wilson ins Funkgerät des Schlittens. »Holt uns ab.«
Ein Streifenwagen fuhr vor. »Haben Sie ein Problem, Lieutenant?« sagte der Fahrer. »Eben wurde gemeldet, daß Sie zwei Schneefahrzeuge gestohlen haben.«
»Scheiß drauf. Wir hatten unsere Befehle. Wir dachten, wir hätten einen Verdächtigen gesehen.«
»Klar. Steigen Sie ein, wir fahren sie rüber zum zwanzigsten.«
Sie ließen die Schlitten für die Männer der Parkstreife stehen, die mit einem anderen Streifenwagen gebracht wurden. Wilson und Neff schwiegen, während sie zum Revier fuhren, Wilson weil er nichts zu sagen hatte, Becky weil sie nicht sprechen konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte. Es war ihr komisch dabei zumute, jetzt noch am Leben zu sein, als wäre sie gerade durch eine Mauer in eine Zeit
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