Wolfsbrut
Farbe; eine geschäftige Atmosphäre herrschte vor. Die Tür zu Fergusons Büro war geschlossen. Becky machte sie auf und steckte den Kopf hinein.
»Sie! Ich habe überall in der Stadt versucht, Sie zu erreichen!«
Sie gingen hinein und machten die Tür hinter sich zu. Wilson lehnte sich dagegen. »Ich wünschte, das Büro hätte eine Decke«, sagte Becky. »Das wäre sicherer.«
»Sicherer?«
»Wir sollten Sie wohl besser einweihen. Ich fürchte, Sie sind in großer Gefahr, Doktor. Evans - der Gerichtsmediziner - wurde gerade getötet, in Stücke gerissen.«
Ferguson reagierte, als wäre er geschlagen worden. Er strich sich mit einer zitternden Hand übers Gesicht. Dann ließ er sie langsam sinken und sah sie an. »Ich habe heute vormittag eine Menge über Werwölfe herausgefunden«, sagte er fast unhörbar. »Ich war in der öffentlichen Bibliothek.« Er sah auf, und das gleichgültige Gesicht verheimlichte seine Entschlossenheit zu versuchen, mit den Geschöpfen Verbindung aufzunehmen. »Es ist alles vorhanden, wie ich es mir gedacht habe. Stichhaltige Beweise, daß die Rasse intelligent ist. Canis lupus sapiens. Die Wolfen. So möchte ich sie nennen.«
Wilson sagte nichts; Becky wollte nichts sagen. Sie sah den Wissenschaftler an. Wahrhaftig, Wolfen. Sie waren Killer. Fergusons Ausdruck verriet seine unschuldige Erregung angesichts seiner Entdeckung. Es war eindeutig, daß er das wahre Ausmaß der Gefahr, in der er schwebte, immer noch nicht begriffen hatte. Er tat ihr leid - auf die unbeteiligte Weise, wie ihr Leute leid taten, die nach Morden zurückblieben. Überbleibsel, nannte Wilson sie, die Frauen mit roten Augen und fassungslosen Ehemänner, die normalerweise schluchzend über den Leichen ihrer Opfer gefunden wurden. Die meisten Morde sind Familienangelegenheiten. Aber am schlimmsten waren die Fälle, wenn man eine verzweifelte Seele anrufen mußte, die stundenlang darauf gewartet hatte, daß ein lieber Mensch nach Hause kam - jemand, der nicht mehr unterwegs war. »Hallo, Mr. X, wir sind Polizisten. Dürfen wir reinkommen? Wir müssen Ihnen leider mitteilen, Mrs. X wurde ermordet aufgefunden, blah, blah«, der Rest wurde in einen undurchdringlichen Nebel des Kummers hineingesprochen.
»Herzlich willkommen, unter den Gejagten«, sagte Wilson. »Vielleicht sollten wir einen Verein gründen.«
Der Humor war kläglich, schien aber eine positive Reaktion bei Ferguson auszulösen. »Wissen Sie«, sagte er, »das Schlimme ist, diese Kreaturen sind so mörderisch. Das macht sie ungewöhnlich. Hunde sind eine bemerkenswert freundliche Rasse. Nehmen wir den Gebirgswolf - alle Legenden, die Geschichten von Jack London, das ist weitgehend Unsinn. Ich meine, wenn Sie einen Wolf bedrohen, wissen Sie, was dann passiert? Der Wolf wird sich wie ein Hund auf den Rücken legen. Sie sind nicht gefährlich.« Er lachte. »Die Wissenschaft hat das erst in den letzten paar Jahren über den Wolf herausgefunden. Wir waren so sicher, daß das große hundeartige Raubtier nur ein Mythos war - und jetzt dies. Aber ich glaube, wir haben hier eine außergewöhnliche Chance; es muß eine Möglichkeit der Kommunikation zwischen uns und ihnen geben.«
»Für einen Hirsch, Doktor Ferguson, ist der Wolf ungeheuer gefährlich. Kein Wolf wird winseln, wenn er von einem Hirsch bedroht wird. Der Wolf ist für den Menschen nicht gefährlich, weil er uns nicht zu seiner Beute zählt. Aber nehmen Sie den Hirsch - für ihn ist der Wolf eine Geißel der Hölle.«
Ferguson nickte langsam. »Diese... Wesen sind also für uns, was der Wolf für den Hirsch ist. Dem stimme ich zu. Aber sie sind auch eine vernunftbegabte Rasse und bilden somit eine einmalige Gelegenheit.«
Wilson lachte lauthals. Das Geräusch machte Becky frösteln. Es war nicht das Lachen eines normalen Menschen, sondern das von jemandem, der größte Angst hatte und an der Schwelle zur Hysterie stand. Sie fragte sich, wie lange sie noch auf seine Hilfe zählen konnte. Und seinen Verstand! Er hatte sie im Park um Sekundenbruchteile gerettet. Wie oft würde ihm das noch gelingen? Konnte er es noch einmal? Würden die Fallen einfach immer subtiler werden, bis sie ihnen schließlich zum Opfer fielen? Ferguson und seine Vorstellungen von Kommunikation nahm sie nicht ernst. Er hatte nicht gesehen, was diese Kreaturen mit Menschen machten.
»Planen wir unser weiteres Vorgehen«, sagte sie. »Wir müssen verdammt vorsichtig sein, wenn das vorhin die Generalprobe dafür war, was
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