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Wolfsdunkel -7-

Wolfsdunkel -7-

Titel: Wolfsdunkel -7- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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Hellseher?“, fragte ich.
    „Nur unsere Frauen besitzen die Gabe, in die Zukunft zu sehen. Zumindest machen sie uns das gern weis.“
    Wir bogen ums Eck und standen vor meinem Haus. Mit seiner Größe, der imposanten Architektur und dem Dreiviertelmond, der dahinter aufging, konnte ich mir mühelos vorstellen, dass es darin spukte. Ich fröstelte.
    „Ist Ihnen kalt?“
    Ich starrte auf seinen Rücken. Er hatte mich gar nicht angesehen, als ich zusammengeschaudert war. Offensichtlich musste mir irgendein Brrr -Laut entschlüpft sein, ohne dass ich es gemerkt hatte.
    „Nein, alles bestens.“
    Mit einem höflichen Kopfnicken hielt er mir das Gartentor auf. „Dann wünsche ich Ihnen jetzt eine gute Nacht.“
    „Seit wann gibt es eigentlich irische Zigeuner?“, platzte ich heraus.
    Er ließ seine Zähne aufblitzen. „Sie wollen mich das schon den ganzen Tag fragen, nicht wahr?“
    Ich zuckte die Achseln.
    „Sie denken, dass ich kein waschechter Zigeuner bin?“
    „Ich hatte gar nicht an Sie gedacht, bis Sie plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht sind.“
    Lügnerin . Ich hatte seit unserer Begegnung immer wieder an ihn gedacht. Wie auch nicht?
    Sein breiter werdendes Lächeln verriet, dass er wusste, dass ich log – und dass es ihm gefiel. Vermutlich war das Talent zu lügen unter Zigeunern eine erstrebenswerte Eigenschaft.
    Ich rieb mir die Stirn. Ich war genauso schlimm wie Balthazar. Abgesehen von dem, was ich aus Film und Fernsehen über Zigeuner wusste, hatte ich keine Ahnung von ihnen.
    „Wir sind unter der Bezeichnung Roma bekannt“, klärte Cartwright mich auf. „Der Ausdruck ‚Zigeuner‘ hat seinen Ursprung darin, dass die Menschen früher annahmen, wir stammten aus Ägypten.“
    „Aber das stimmt nicht?“
    „Aus Indien, heißt es, allerdings weiß das niemand genau.“
    „Was hat Sie nach Irland verschlagen?“
    „Ich habe dort mein ganzes Leben verbracht, bis … vor Kurzem. Die Roma kamen schon viel früher ins Land. Nachdem wir unsere ursprüngliche Heimat verlassen hatten, verteilten wir uns über den gesamten Erdball – Griechenland, Russland, Ungarn, England, Schottland und Irland.“
    „Was ist mit Rumänien?“
    „Dort leben die Ludar.“
    „Sind das keine Zigeuner?“
    „Wir bevorzugen den Namen Roma. Die rumänischen Roma nennt man die Ludar, so wie die englischen Roma Romnichels heißen, die serbischen, russischen und ungarischen Vlax.“
    „Sind das alles verschiedene Stämme?“
    „In gewisser Weise schon. Wir waren früher ein Volk, aber Jahrhunderte der Separation haben uns verändert.“
    Diese Informationen faszinierten mich ebenso sehr wie das seidige Timbre seiner Stimme. Ich sollte nach drinnen gehen, auch wenn das Einzige, das dort auf mich wartete, mein Fernseher und eine alte gescheckte Katze waren. Lieber wollte ich mehr über Zigeuner erfahren.
    „Wie nennt man die irischen Roma?“
    „Umherziehende.“ Der Blick, mit dem er mein Haus betrachtete, war irritierend sehnsüchtig. „Wir bleiben nicht gern lange an einem Ort.“
    Grace würde das damit erklären, dass sie vor etwas davonliefen oder etwas zu verbergen hatten. Aber vielleicht sahen sie sich einfach gern die Welt an. Das war schließlich kein Verbrechen.
    Das schrille Heulen eines Kojoten, das von Westen kam, wurde mehrstimmig aus östlicher Richtung beantwortet. Wir schwiegen, bis das letzte Echo verklungen war.
    „Das war kein Wolf“, stellte Cartwright fest, „sondern ein Kojote.“
    „Ich habe schon Hunderten Kojoten gelauscht, die zu diesen Bergen sangen. Was ich vorhin hörte, war nichts, was ich je zuvor gehört habe.“
    „Es kann kein Wolf gewesen sein“, beharrte er. „Wölfe tolerieren keine Kojoten in ihrem Revier. Wo man das eine findet, findet man das andere nicht.“ Die Kojoten begannen von Neuem zu jaulen, viel näher dieses Mal. „Wäre ein Wolf in der Nähe, würden sämtliche Kojoten flüchten.“
    „Woher wissen Sie so viel über sie?“
    Sein Lächeln war träge und sexy, als er den Arm nach mir ausstreckte; ich erschrak so heftig, dass ich mir den Ellbogen am Zaun anschlug.
    Doch er tat nichts weiter, als meine Hand zu nehmen und mit den Lippen darüberzustreifen. Als er mir anschließend ins Gesicht sah, machte das fehlende Licht seine dunklen Augen noch dunkler.
    „Ich weiß vieles über viele Dinge, Bürgermeisterin Kennedy“, erklärte er und legte seinen Mund von Neuem auf meine Hand.
    Dieses Mal fühlte ich das Schaben seiner Zähne, den Sog seiner Lippen,

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