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Wolfsdunkel -7-

Wolfsdunkel -7-

Titel: Wolfsdunkel -7- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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Geschichte, und nur sie kann sie erzählen.“
    Vor Frustration sprach ich lauter als beabsichtigt. „Wie könnte sie sie erzählen, wenn sie nicht spricht?“
    Sabina schaute in meine Richtung, und ich krümmte mich innerlich zusammen. Hören konnte sie offensichtlich, und jetzt wusste sie, dass ich hinter ihrem Rücken über sie tuschelte. Sie mochte einfältig sein, aber sie war keine Idiotin.
    „Entschuldigung“, meinte ich verlegen. Sie schenkte mir ein kleines Lächeln, bevor sie sich wieder dem Pferd zuwandte.
    „Früher hat sie gesprochen“, erklärte Cartwright leise. „Dann hat sie einfach damit aufgehört.“
    Ich tippte auf irgendeine Art von Trauma und fühlte eine plötzliche Verbundenheit.
    „Nachdem ihre Hand verletzt wurde?“
    „Es ist keine Verletzung. Sabina wurde mit dem Zeichen des Teufels geboren.“
    „Womit?“
    Meine Stimme war wieder zu laut. Sabina zuckte zusammen und vergrub das Gesicht in der Mähne des Pferdes. Das Tier wieherte und stampfte mit den Hufen, als wüsste es, dass ich sie aufgeregt hatte.
    „Ihre Eltern wollten sie ertränken“, fuhr Cartwright fort, „aber ich ließ es nicht zu.“
    „In welchem Jahrhundert lebt ihr eigentlich?“
    „Nur weil dies ein modernes Zeitalter ist, heißt das nicht, dass es nicht überall Barbaren gäbe.“
    Ich studierte sein Gesicht. Er wirkte kaum älter als Sabina.
    Ich hatte Geschichten über Zigeunerkönige gehört, allerdings waren die vermutlich genauso erfunden wie die Zigeuner-stehlen-Kinder-Mär. Nichtsdestotrotz benahm Malachi Cartwright sich, als hätte er den Mantel der Würde mit seiner Geburt geerbt.
    „Haben Sie sie von einem Arzt untersuchen lassen?“, hakte ich nach.
    „Sie wird wieder sprechen, wenn sie bereit ist. Nur die Zeit kann Sabina heilen.“
    Ich wusste genau, wie das war.
    „Ich meinte, wegen ihrer Hand.“
    Anstatt zu antworten, hielt Cartwright auf sein Pferd zu.
    „Bestimmt gibt es irgendwo einen Spezialisten, der ihr helfen kann.“
    Er blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um. „Wir sind nicht krankenversichert, Bürgermeisterin. Und wir haben nicht genug Geld, um uns Ärzte zu leisten. Unser Leben ist nicht wie Ihres, und das wird es auch nie sein.“
    Er bedeutete Sabina aufzusitzen, bevor er sich mit solcher Anmut auf den Pferderücken schwang, dass ich ihn einfach nur stumm beobachten konnte.
    „Danke für Ihre Unterstützung!“, rief er, und sie galoppierten davon.

7
    Ich verbrachte den restlichen Tag in meinem Büro, erledigte Papierkram (unzählige Unterschriften), empfing Bürger (unzählige Beschwichtigungen), tätigte Anrufe und nahm welche entgegen (unzählige Kopfschmerzen).
    Joyce kam und ging so oft, dass ich den Überblick verlor, wann sie gerade da war und wann nicht. Ich fragte mich, wohin sie ging, wenn sie ging, bekam aber nie die Chance, mich danach zu erkundigen.
    Ebenso wenig wie ich die Chance auf eine Mittagspause bekam. Als Grace gegen Abend auftauchte, begrüßte ich sie deshalb mit einem erleichterten Seufzen – bis sie zu sprechen anfing.
    „Wie ich höre, hast du heute Morgen auf der Center Street ein wenig mit Malachi Nennen-Sie-mich-Mal Cartwright geplaudert.“
    Ich ließ meinen Füller fallen. „Wer hat dir das gesagt?“
    Sie hob verächtlich eine Braue. „Was glaubst du wohl?“
    „Monahan.“ Er war mir zwar nicht aufgefallen, allerdings hatte man von der Zeitungsredaktion aus eine nette Aussicht auf die Hauptstraße.
    Grace setzte sich. „Er ist ein Mistkerl, daran besteht kein Zweifel. Mir ist zudem zu Ohren gekommen, dass du gestern Abend mit beiden Männern ein Pläuschchen vor deinem Haus hattest.“
    „Pscht! Ist hier denn gar nichts privat?“
    Sie lachte. „Du machst Witze, oder?“
    Das tat ich nicht, aber ich wusste, was sie meinte. Kleinstädte lebten von Gerüchten – einerseits ein Segen, weil die Menschen dadurch selten mit irgendeiner Untat davonkamen, andererseits ein Fluch für die, die es versuchten.
    „Bist du hier, um mir die Hölle heißzumachen?“, fragte ich. „Falls ja, musst du dich hinten anstellen.“
    „Harter Tag?“
    „Nicht härter als jeder andere.“ Ich schob eine lockere Haarklammer zurück in meinen Knoten und japste, als sie in meine Kopfhaut stach.
    „Ich wollte dich schon die ganze Zeit fragen, warum du den Job überhaupt angenommen hast.“
    „Weil es mir zu dem Zeitpunkt richtig erschien.“
    „Nicht gerade das überzeugendste Motiv für eine lebensverändernde Entscheidung.“
    „Ich

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