Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
Tannenberg sich selbst kommandoartige Befehle.
Er hechtete auf Mariekes Roller und brauste ohne Abschiedsgruß davon. Er hörte zwar, dass Max ihm noch irgendetwas hinterherrief, aber die Worte drangen nicht zu seinem Bewusstsein vor.
Oder soll ich jetzt nicht besser sofort in die Beethovenstraße fahren? Und ihnen versuchen zu helfen? Quatsch! Das würde meine Familie bestimmt noch mehr in Gefahr bringen. Soll ich mich nicht besser stellen? Dann sind die wenigstens alle außer Gefahr.
Ohne auch nur einen Moment über eine alternative Fahrtroute nachgedacht zu haben, hatte er denselben Weg eingeschlagen, auf dem er vorhin hierher gekommen war. Die Angst um seine Familie beschäftigte ihn gedanklich derart, dass er wie in Trance seine Umwelt nur noch als peripheres Rauschen wahrnahm.
Mit Vollgas sauste er über den sonnenbeschienenen, ausgedörrten Forstweg hinweg, dicht gefolgt von einer kleinen Staubwolke. Er legte sich in eine langgezogene Rechtskurve hinein. Ausgetrocknete Grashalme schlugen wie kleine Peitschenhiebe an die Frontverkleidung des Scooters und verursachten dadurch ein trommelndes, hochtönendes Geräusch.
Plötzlich sah er ihn. Er war direkt vor ihm, höchstens fünf Meter vor ihm entfernt: ein dunkelgrüner Geländewagen. Aber es war nicht irgendeiner, sondern es war exakt derselbe, in dem Tannenberg schon einmal gesessen hatte. Damals als er gerade die Leitung des K1 übertragen bekommen hatte. Es war sein erster Fall gewesen, und zudem ein ausgesprochen mysteriöser: Ein psychopathischer Serienmörder hatte die von ihm bestialisch getöteten Frauen mit Waldschmuck dekoriert und auf markanten Sandsteinfelsen aufgebahrt der Kriminalpolizei präsentiert.
Und im Zuge eben dieser Mordermittlungen hatte er es auch ein paar mal mit Förster Kreilinger zu tun gehabt. Es waren keine positiven Erinnerungen, die er mit diesem unsympathischen Waidmann verband. Er wusste noch sehr genau, dass dieser selbsternannte Hilfssheriff damals nicht nur einen völlig unschuldigen Spanner in den Selbstmord getrieben, sondern sogar seine Waffe eingesetzt hatte.
Tannenberg riss den Motorroller aus der Schräglage nach oben und versuchte ihn irgendwie links an Kreilingers Jeep vorbeizumanövrieren. Für einen winzigen Moment trafen dabei die entsetzten Blicke der beiden Männer aufeinander. Mit viel Glück gelang es Tannenberg, eine Kollision des Scooters mit dem breiten, chromfarbenen Stoßfänger des Geländewagens zu verhindern.
Zwar musste er dazu einen betonharten Erdwulst überwinden und ein paar Meter über dicke Schottersteine hinwegrattern, aber er trudelte nur, stürzte nicht. Gleich nachdem die dicken, kleinen Räder wieder den Fahrweg unter sich spürten, bremste er scharf ab, schleuderte zornig eine Faust in Richtung der aufgeflammten Bremsleuchten. Dabei streifte er zufällig seinen Kopf.
Ach du Scheiße! Ich hab ja gar keinen Helm auf!, schoss ihm eine grelle Erkenntnis-Rakete ins Hirn. Dann hat der Kerl mich ja erkannt. Verdammt – nichts wie weg!
Kreilingers Rückfahrscheinwerfer leuchteten auf, der Wagen setzte sich in Richtung des Scooters in Bewegung. Tannenberg stemmte beide Beine auf den festgefahrenen Wegbelag und drückte sich ab, während er gleichzeitig den Gasgriff bis zum Anschlag drehte. Das bedrohliche Geräusch des ihn verfolgenden Geländewagens ließ Tannenbergs Rollerfahrt immer waghalsiger werden.
In der nächsten Linkskurve passierte es dann: Tannenberg neigte sich so stark zur Seite, dass das Hinterrad auf den Mittelstreifen geriet und dort die Bodenhaftung verlor. Er rutschte gemeinsam mit dem Roller über die Grasnarbe hinweg auf die andere Fahrrinne und schlitterte dort noch ein Stück, bis er endlich liegen blieb. Er lag unter dem Roller.
Mit einem unbändigen Überlebenswillen ausgestattet, zog er sein linkes Bein unter der Scooterkarosserie hervor und rappelte sich wieder auf. Das Hosenbein war großflächig aufgerissen, die ganze linke Beinseite war mit Schürfwunden übersäht, die gerade zu bluten anfingen. Er biss die Zähne zusammen, richtete den Roller auf. Der Motor lief noch. Er quälte sich auf die Sitzbank und fuhr wieder los.
Hinter ihm hörte er Kreilingers Geländewagen. Dem Fahrgeräusch nach zu urteilen, war er inzwischen gewendet worden. Das Motorengeräusch wurde lauter. Tannenberg blickte sich erschrocken um. Er sah den Jeep in etwa 50 Metern Entfernung am Ausgang der Wegkehre. Vor ihm tauchte bereits die Wolfskaut auf. Mit Höchstgeschwindigkeit
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