Wolfsfeder
Jagd
losgefahren?«
»Kurz nach acht. Um halb neun war Treffen.«
»Und hier im Haus hast du nur die Hogreve
gesehen? Habt ihr zusammen gefrühstückt?«
»Das habe ich doch schon tausendmal
gesagt! Mensch, Finn, was soll das? Du fragst ja genau wie die Bullen.«
»Und draußen auf dem Hof war auch alles
okay?«
»Jaaaa doch.« Kai reagierte zunehmend
genervter.
»Ihr seid also ins Auto und los …«
»Warte mal. Der Wiegand werkelte draußen
im Garten herum«, fiel da Kai ein. »Harkte Laub, glaube ich. Das ist aber
normal. Der fängt immer schon um sieben an.«
»Haben die Kripoleute sich den schon
vorgeknöpft?«
»Glaube nicht.«
»Gut, dann machen wir das eben. Schreib
auf.«
Kai war noch nicht mit dem Schreiben
fertig, als es an der Haustür schellte. Er erhob sich und verließ die Küche.
Finn stand ebenfalls auf und nutzte die
Pause, um die Toilette aufzusuchen. Der viele Kaffee …
Kaum hatte er die Küchentür hinter sich
gelassen – aus dem Hausflur erklangen bereits verschiedene Stimmen –,
da öffnete sich wie von Geisterhand langsam die Speisekammertür.
Gerade so weit, dass eine Gestalt hindurchhuschen
konnte.
FÜNF
Die Küstenstraße zwischen Santo
Domingo und dem Flughafen – dem Aeropuerto
Internacional Las Américas – war
eigentlich ihre Lieblingsstraße auf der Insel. Auch bei Nacht.
Die vierspurige Prachtstraße, deren
üppiger Mittelstreifen mit Oleander- und Hibiskussträuchern bepflanzt war und
deren Ränder unzählige Kokospalmen und Mandelbäume säumten, lag malerisch im
Mondenschein.
Vom Meer wehte eine frische Brise;
haushohe Wellen donnerten gegen die felsige Steilküste. Dort, wo die Fahrbahn
sich bis auf wenige Meter dem Meeresufer näherte, fegte zuweilen eine gewaltige
Gischtwolke über den Asphalt und erschrak so manchen unbedachten Autofahrer.
Ein kleiner Küstenfrachter, der gerade den Puerto
Ozama anzulaufen schien, tanzte auf den Kämmen
der aufgewühlten See.
Das Taxi, ein ehrwürdiger Chevrolet Malibu
Classic Baujahr 1975, zeigte wegen der zahlreichen ausgebesserten
Karosserieteile eine undefinierbare Grundfarbe. Sein Fahrer, ein Weißer und
nahezu dreimal so alt wie sein Auto, trug pechschwarzes, gegeltes Haar und
einen hauchdünnen, wie zu einem Strich gezogenen Oberlippenbart in seinem
faltenreichen Gesicht. Seine Ähnlichkeit mit dem legendären Schauspieler Clark
Gable war frappierend.
Sein Fahrgast saß – etwas verloren
wirkend – auf der breiten Rückbank. Durch das rechte Seitenfenster starrte
sie in den wolkenlosen und sternenklaren Abendhimmel. Sie suchte mit ihren
Blicken den Mond, der vor Kurzem am fernen Horizont des Karibischen Meeres
aufgegangen war.
Mit Schrecken schaute sie auf die
kreisrunde, blass leuchtende Scheibe am Himmel. Es war Vollmond, ein weiteres
schlechtes Omen für ihre weite Reise in die Fremde.
* * *
Sie hatten an dem großen
Wohnzimmertisch Platz genommen. Robert Mendelski und Maike Schnur auf der
einen, Kai Kreinbrink und Finn Braukmann auf der anderen Seite. Auf dem Tisch
zwischen ihnen standen zwei Mineralwasserflaschen und vier schlichte Gläser.
»Trifft sich gut, dass Sie auch hier
sind«, sagte Mendelski an Finn gewandt. »Das erspart uns einen Extrabesuch bei
Ihnen. Wir haben da nämlich noch eine Frage an Sie.«
Bevor Finn reagieren konnte, meldete sich
Kai zu Wort. »Wissen Sie schon, wie Yadira ums Leben gekommen ist?«
»Wir haben einen Anhaltspunkt.« Mendelski
nickte bedächtig. »Wir müssen allerdings den endgültigen Obduktionsbefund
abwarten und dürfen aus ermittlungstaktischen Gründen nichts verraten. Haben
Sie bitte dafür Verständnis.«
»Habe ich aber nicht«, brauste Kai auf.
»Yadira gehörte quasi zur Familie. Da haben wir wohl ein Recht darauf, so
schnell wie möglich zu erfahren, was mit ihr passiert ist.«
»Ja, das haben Sie – durchaus.«
Mendelski blieb gelassen. »Aber den Zeitpunkt dafür bestimmen wir. Und es geht
sicher schneller, wenn Sie mit uns kooperieren, anstatt zu streiten.«
Kai biss sich auf die Unterlippe, schwieg
aber.
»Haben Sie schon bei den Stadlers in
Eldingen nachgefragt?«, fragte Finn, um dem Gespräch eine andere Wendung zu
geben. »Sie wissen schon, die Familie, bei der Yadira als Au-pair-Mädchen war.«
Mendelski warf Maike Schnur einen
vielsagenden Blick zu und überließ ihr die Antwort.
»Matthias Stadler ist mit seiner Familie
verreist«, sagte sie. »Seit über einer Woche, auf die Kanaren. Wir überprüfen
das gerade über
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