Wolfsfeder
Interpol.«
Finn und Kai schauten sich ratlos an.
Damit hatten sie nicht gerechnet.
»Das sollten Sie unbedingt kontrollieren«,
forderte Kai. »Heutzutage gibt es durchaus Möglichkeiten, mal kurz aus dem
Urlaub nach Hause zu jetten, ein Verbrechen zu begehen, um danach wieder im
Feriendomizil unterzutauchen.«
»Wir werden eine genaue Alibi-Überprüfung
veranlassen, verlassen Sie sich drauf.«
Kai hob wie in Zeitlupe den Zeigefinger
seiner rechten Hand. Man konnte sehen, wie es in seinem Kopf ratterte.
»Also …«, sagte er mit einem Gesichtsausdruck, der sowohl Bitterkeit als
auch Schadenfreude ausdrückte. »Wenn Sie nach dem Stadler fahnden, heißt das,
dass Sie nicht von einem Unfall ausgehen, habe ich recht?«
Mendelski sah sich genötigt
einzuschreiten.
»Noch einmal im Klartext, meine Herren«,
sagte er streng. »Solange wir nicht zweifelsfrei wissen, ob jemand anderes als
Yadira selbst für ihren Tod verantwortlich ist, ermitteln wir in alle
Richtungen.«
Die beiden jungen Männer schwiegen
betreten.
»Okay. Dann können wir ja weitermachen.«
Mendelski wandte sich wieder an Kai: »Ihr Freund Finn hat Ihnen doch sicherlich
von den Drohbriefen erzählt?«
Kai nickte. Finn bekam einen roten Kopf,
hatte er doch versprochen, das mit den Drohbriefen für sich zu behalten.
»Nicht weiter schlimm«, tröstete ihn
Mendelski. »Jedenfalls solange Sie damit nicht hausieren gehen.«
An Kai gerichtet fuhr er fort: »Das ist
der eine Anhaltspunkt, den wir haben. Und es ist wohl so, dass Sie auch nicht
wissen, wer und was hinter diesen Drohungen steckt?«
Wieder nickte Kai.
»Des Weiteren«, fuhr Mendelski fort, »ist
es schon sehr merkwürdig, wo, wann und wie Yadiras Leiche abgelegt wurde:
nämlich auf einem Streckenplatz mitten im Wald, am helllichten Tag während
einer Drückjagd, und dazu noch kunstvoll in Fichtenzweige gebettet. Das ist der
zweite Anhaltspunkt, den wir haben. Fällt Ihnen dazu was ein?«
Kai und Finn schüttelten die Köpfe.
»Yadira hatte mit der Jagd und der Natur
hier bei uns nicht viel am Hut«, erklärte Kai. »Ich hab sie ein paarmal mit auf
die Pirsch und auf den Ansitz genommen. Doch das hätte ich mir schenken können.
Das Wild interessierte sie nicht, die Kiefernwälder waren ihr zu eintönig, die
Heidelandschaft zu platt. Viel lieber mochte sie die Berge und das Meer –
und zwar in tropischen Gefilden. So, wie sie es aus ihrer karibischen Heimat in
der Dominikanischen Republik kannte.«
»Vielleicht gibt es eine Verbindung zu den
Grünröcken, den Jägern?«, wandte Maike Schnur ein. »Etliche Teilnehmer der
Drückjagd kannten Yadira.«
»Eschede ist nicht Celle«, hielt Kai
dagegen. »Wir haben hier weniger als viertausend Einwohner. Hier kennt jeder
jeden. Yadira war ein kontaktfreudiger und geselliger Mensch – und ihr
exotisches Aussehen tat ein Übriges.«
»Dann hilft Ihnen das hier eventuell
weiter.« Mendelski hatte in die Innentasche seiner Jacke gegriffen und holte
ein Foto hervor. »Das ist der dritte Anhaltspunkt.«
Finn und Kai beugten sich über das Foto,
das nun auf dem Tisch lag.
»Dieses Zeichen haben wir gestern am
Streckenplatz entdeckt«, sagte Mendelski. »Zu Füßen der Toten. Anscheinend mit
dem Fuß hastig in den Waldboden gekratzt.«
»Ein Z, würde ich sagen«, ließ Finn
verlauten. »Ein Z mit Mittelstrich.«
Kai zog das Foto zu sich heran. Er drehte
es so, dass das Z nicht mehr hochkant stand, sondern quer lag.
Nachdenklich schüttelte er den Kopf. »Das kann auch was anderes sein«, sagte er
schließlich. »Etwas, was in den Wald passt – und zur Jagd. Besonders
jetzt, wo die Wölfe zurückgekommen sind. Denn für mich ist das eine
Wolfsangel.«
* * *
Geräuschvoll und mit heftigem
Vibrieren der gesamten Maschine hatte der letzte Schleudervorgang seinen
Höhepunkt erreicht. Die Umdrehungen der Trommel wurden fortan Sekunde um
Sekunde langsamer und auch deutlich geräuschärmer, bis die Waschmaschine mit
einem metallisch klingenden Klack zum Stillstand kam.
Irene Hogreve öffnete den Verschluss der
Trommel, schob mit dem Fuß eine Plastikwanne unter die Öffnung und holte eine
Unmenge feuchter, kunterbunter Wäscheknäuel hervor. Nachdem sie die Maschine
geleert hatte, klemmte sie sich die Wanne unter den rechten Arm und erhob sich.
Sie wählte die Tür des Wirtschaftsraums,
die nach draußen in den Garten der Kreinbrinks führte. Dort empfing sie ein
angenehm schöner Oktoberspätvormittag, der die dichten Regenwolken
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