Wolfsfieber - Band 2
entsetzt.
Vorsichtig und unwillig zog ich meinen Unterarm von seiner Schulter, um Istvan meinen einbandagierten Arm zu zeigen.
„Was hast du bloß angestellt?“, fuhr er mich an.
„Es war die einzige Möglichkeit, Viktor mit Sicherheit von dort fernzuhalten“, führte ich zu meiner Verteidigung an. „Die Warterei im Krankenhaus hat ewig gedauert“, stöhnte ich, um seine Vergebung bemüht.
„Was hast du eigentlich gemacht? Dir ein Messer in den Arm gejagt?“, blaffte er sarkastisch.
„Gut geraten“, sagte ich unabsichtlich.
„Du hast sie doch nicht mehr alle! Niemand hat verlangt, dass du hier den Märtyrertod stirbst, Joe … du wolltest ihn doch nur von dort wegschaffen und eine Weile ablenken“, murrte Istvan hilflos.
„Mach so was nie wieder !“, warnte er mich drohend. Ich nickte störrisch. Wie konnte ich ihm das denn versprechen? Wäre es um ihn gegangen, hätte ich noch ganz anderer Sachen gewagt. Aber das musste er nicht unbedingt wissen. Vor allem jetzt nicht.
„Jetzt vergiss meinen Arm“, begann ich mit einer wegwerfenden Geste. „Was ist passiert? Wie konntet ihr das Schlimmste verhindern? … Konntet ihr doch, oder?“
„Ja. Wir waren gut vorbereitet, trotz meiner Ablenkung … ‚ das galt mir …‘ und wir waren einfach schlauer als sie. Dumm, wenn man sich immer nur auf seine eigene Stärke verlässt und dabei fast seinen Verstand vergisst“, faucht er zynisch.
„Wie genau, Istvan?“ Mir ging die Geduld aus, wie immer.
„Jakov und Serafina haben Vladimir und Dimitri in Schach gehalten. Und ich muss zugeben, dass sie ein unschlagbares Wolfsteam sind. Sie können die Züge und Angriffsbewegungen des anderen blitzschnell erfassen … Woltan diente uns als Geheimwaffe. Sollte sich solange zurückhalten, bis er benötigt würde. Valentin und ich kümmerten uns um Farkas.“
„Und Marius?“, fragte ich verwirrt.
„Marius sorgte ausschließlich für den Schutz des Zeltlagers. Er sollte dafür sorgen, dass kein Wolf dem Lager zu nahe kam. Falls Farkas doch noch jemanden in seinem Tross versteckt hielt … hat er aber nicht. Aber ich muss gestehen, einmal wurde es brenzlig. Vier Jungs, etwas 13 oder 14 Jahre alt, haben sich heimlich rausgeschlichen, um zu rauchen. Farkas hatte sie sofort im Visier. Zog in immer engeren Kreisen um die Gruppe. Nur einer von ihnen war wirklich in Gefahr. Denn zwei der Jungen waren schmächtig, einer trug eine Brille. Nicht gerade Farkas’ Beuteschema. Aber der Rädelsführer von ihnen, Kai nannten ihn die anderen, passte genau in Farkas bevorzugtes Ersatzkriegerbild. Er war größer, ein Anführertyp. Hatte im Gegensatz zu den drei anderen nicht die geringste Angst davor, erwischt zu werden.“
„Wie habt ihr es verhindert? Verhindert, dass er ihn sich holt?“, wollte ich wissen.
„Ein abgesprochenes Manöver. Marius hatte ja diese Schutzengelfunktion. Als er die Lage begriff, begann er vor dem Zelt der Aufseher etwas umzuschmeißen, keine Ahnung was. Einer der älteren Aufseher kam, um nach dem Rechten zu sehen. Marius hat dann immer weiter Geräusche gemacht, so eine Art tönerne Brotkrumenspur zu den Ausreißern. Als der Ältere die vier entdeckt hatte, steckte er sie umgehend zurück in ihre Zelte und hielt sicherheitshalber Wache, damit sie nicht noch einmal ausbüxen konnten. Farkas war wütend! Aus Rache legte er sich mit Valentin und mir an. Doch er hat zu spüren bekommen, dass ich jetzt ein stärkerer und gefährlicher Wolf bin als früher. Damit hatte er nicht gerechnet, dieser Bastard! Vermutlich hat er es deshalb nicht aufs Äußerste angelegt. Ihm kam zum ersten Mal der Gedanke, dass er verlieren könnte. Weil Valentin auch noch da war, zog er sich zurück … leider! Leider konnte ich nie nah genug an ihn herankommen und es zu Ende bringen. Er weiß, wie man seinen Hals schützt … Er ist also abgezogen. Hat Vladimir und Dimitri mit einem Heulen zurückgepfiffen. Wir sind ihm dann bis nach Ungarn gefolgt, um sicherzugehen. Aber vorerst ist er weg. Seinen Ersatzkrieger kann er bis zum nächsten Monat vergessen!“, sagte er, seinen Hohn und Spott nicht verbergend.
„Radu wird seine weitere Fährte überwachen und uns warnen, falls er erneut so dumm ist, sich uns zu nähern“, fügte er noch hinzu.
„Ich bin froh, dass es so glimpflich abgelaufen ist. Dieser Junge, Kai … wie sieht er aus?“
„Dunkles, mittellanges Haar. Ein großes Muttermal über der Braue …“
„Dachte ich’s doch“, unterbrach ich ihn.
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