Wolfsfieber - Band 2
normalerweise getan hätte, um Zeit zu schinden. Etwa so:
„Sind Sie gegen dies oder jenes allergisch?“
„Ich bin mir nicht sicher, Viktor. Bin ich dagegen allergisch? Ich weiß nur, dass ich gegen Meeresfrüchte allergisch bin. Hmm …“ Ich war anstrengend. Also füllte Viktor die meisten Sachen selbst aus. Leider kannte er meine Krankengeschichte gut genug, um das zu können.
Danach kam ein gepflegter Mann um die vierzig mit großen vertrauenswürdigen Augen und schütteren Haaren, der sich als mein behandelnder Arzt entpuppte. Er führte mich in eines der Behandlungszimmer, die wenig einladend waren.
„Also, wie haben Sie das denn angestellt, junge Frau?“ Ich konnte es nicht leiden, wenn man mich gönnerhaft junge Frau nannte, oder wie Farkas: Mädchen . Und sofort als ich an ihn erinnerte wurde, wurde mir mein Arzt unsympathisch und ich begann, ihm kurz und knapp zu antworten.
„Küchenunfall!“, raunte ich unzufrieden.
„Sie müssen besser aufpassen, wenn sie mit scharfen Messern hantieren.“
Ach ja, das ist ja ganz was Neues. Messer, Gabel, Schere, Licht sind für kleine Kinder nicht, oder was?
Ich ließ seinen Rat lieber unkommentiert und nickte nur verständig. Aber selbst Viktor fiel auf, dass ich mich nicht sonderlich nett benahm. Er schob die Schuld wohl auf meinen Zustand und lächelte mich weiterhin aufmunternd an.
Der Arzt begann meinen Arm, der dank des festen Stoffes, den ich draufgepresst hatte, aufgehört hatte zu bluten, auszupacken.
Das Hemd landete im Eimer für medizinische Abfälle. Mit schnellen, automatisierten Bewegungen reinigte er meinen Unterarm und sah sich den Schaden an. Ein dunkler Schnitt verlief über meinen Muskel, den ich tief genug gemacht hatte, um die Haut schwerwiegend zu beschädigen, ohne aber echten Schaden anzurichten.
„Ja, das muss genäht werden“, sagte er vor sich hin. „Da haben sie ja ganze Arbeit geleistet“, fügte er hinzu, als hätte ich ihm mit meinem Auftauchen die ganze Schicht verdorben.
„Tja, ich mache keine halben Sachen“, sagte ich bitter. Ich konnte es mir nicht verkneifen. Irgendetwas an ihm erinnerte mich an Farkas, auch wenn ich nicht wusste, was. Vielleicht brauchte ich auch nur jemanden, den ich angreifen konnte, weil ich im Inneren vor Angst tobte. Weil ich nicht wusste, ob es Istvan gut ging, ob er noch lebte.
Ob Farkas sein Opfer gefunden hatte. Ich seufzte schwer, als der Arzt mir die Spritze mit dem Betäubungsmittel gab. Offenbar die Retourkutsche für meine unangebrachte Bemerkung, denn sie tat verdammt weh. Unser Hausarzt konnte das viel besser.
Ohne ein weiteres Mal zu einem Gespräch anzusetzen, arbeitete er still vor sich hin. Führte mit dieser Mischung aus Schere und Nadel seine Stiche aus, die ich auf meiner tauben Haut ohne Schmerzen wahrnahm. Kurz bevor er fertig war, kam eine Schwester hinzu, die sehr aufgebracht wirkte. Sie hatte schwarzes Haar, das sie als Bob trug, war etwa in meinem Alter und sehr hübsch.
„Wir bekommen gleich zwei Unfallopfer. Ein Autounfall. Sie werden bald da sein“, sagte sie mit einem bestimmten Gesichtsausdruck, den Doktor Unsympathisch sofort verstand.
„Frau Paul, sie müssen wohl etwas warten. Wir sind unterbesetzt, deshalb möchte ich sie bitten, wieder im Warteraum Platz zu nehmen, bis wir dann alles fertig machen. Ich möchte sie mir noch mal ansehen, ehe wir sie entlassen können“, meinte er. Und an der Art, wie er es sagte, hörte man, dass er diese Sätze schon sooft gesagt hatte, dass sie ihm gar nicht mehr bewusst waren.
Ich nickte, plötzlich ganz zufrieden, die Liebenswürdigkeit in Person, weil dieser Doktor, dessen wahren Namen ich nicht kannte, und der unglückliche Verkehrsunfall mir das geschenkt hatten, was ich am meisten brauchte: mehr Zeit!
Die Zeit im Warteraum verging nur schleppend, doch ich war dankbar für jede öde Minute, auch wenn mir die unbekannten Unfallopfer leidtaten. Doch für Viktor war es eine glückliche Fügung des Schicksals. Bis der Doktor, von dem Viktor behauptete, er würde Stefan mit Nachnamen heißen, zurückkam, war es fast schon Mitternacht. Er sah sich sein Werk an, verband gut meinen Arm und gab mir letzte Hinweise, wie ich mit der Wunde umzugehen hatte. Jetzt hatte ich einen handflächenbreiten, weißen Verband um den Arm. Zum Fädenziehen sollte ich dann wiederkommen, was ich mit einem unzufriedenen Brummen hinnahm. Ich war nur froh, dass ich den Arzt nicht kannte und dass weder Carla noch Christian
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