Wolfsfieber - Band 2
genauso anmutig durch die Luft springen konnte.
Aber ich bekam keine Möglichkeit, mit ihm darüber zu sprechen. Denn kaum hatten wir festen Boden unter den Füßen, war er auch schon über die Straße geschnellt und in wenigen Sekunden hatten wir auch den Wanderweg weit hinter uns gelassen. Ein paar Augenblicke später standen wir schon auf der winzigen Anhöhe, die das Wolftanzlager verdeckte. Selbst mit dem Wagen hätte ich eine Weile hierher gebraucht, Istvan nicht. Ich löste mich von seinem Rücken und stand wieder auf eigenen Beinen, was ich, trotz aller Aufregung, seiner Sprintmethode vorzog. Aber ich musste zugeben, dass mir der Sprung, besonders der ängstliche Rausch dabei, sehr gefallen hatte. Ich wollte es aber nicht zur Gewohnheit werden lassen, getragen zu werden. Er wusste, dass ich damit meine Probleme hatte. Aber jetzt schien mir das alles nicht so wichtig.
Ich stand hinter Istvans Rücken und schmiegte mein Gesicht an seine Schulter, während meine Hand sich wieder mit seiner verschränkte.
„Wo ist nun dieses Lager, auf das du mich betten wolltest?“, fragte ich spielerisch. Er zeigte auf ein silbernes Iglu-Zelt, das er neben der Kiste, die er in jedem Lager vergrub, aufgestellt hatte. Er zog mich energisch in die Richtung des kleinen Zeltes und ich stolperte Istvan auf dem unebenen Unterholz hinterher. Mein Herz schlug vor Aufregung und Erwartung, auch wenn mir mein Verstand immer wieder einbläute, dass es nicht dazu kommen könnte. Nicht nach dem, was er mir vor ein paar Minuten gestanden hatte. Aber schon die Vorstellung mit ihm auf anderthalb Quadratmeter zusammen zu sein, nicht länger alleine in großen, leeren Hotelzimmern sein zu müssen, brachte mich zum Schwärmen.
Er trat vor mir ein und hielt mir den Zelteingang auf. Ich kroch durch das kleine Loch und fand mich in einem stockdun-klen Iglu wieder, in dem ich nicht das Geringste sehen konnte. Ich registrierte nur den weichen Untergrund, seinen warmen Atem und die leisen Geräusche, verursacht durch seine Bewegungen. Dann hörte ich ein leises Knacken, begleitet von einem Klappgeräusch. Es stammte von einem Benzinfeuerzeug, dessen kleine Flamme Istvan benutzte, um eine Öllampe zu entzünden. Während er die Glasabdeckung wieder aufsetzte, beobachtete ich aufmerksam sein erleuchtetes Gesicht.
Bei Kerzenlicht hatte ich ihn nur zu ganz besonderen Gelegenheiten gesehen, wie in der ersten Nacht. Seine Augen wirkten in diesem diffusen, warmen Licht sehr dunkelgrün, fast schon schwarz. Die Erinnerung ließ mich erschauern und brachte das Pochen meines Herzmuskels zurück. Er lächelte mich über die Öllampe hinweg an, als könne er genau erahnen, was in meinem Kopf gerade vorging. Die Erkenntnis, dass wir vielleicht gerade an dieselbe Nacht dachten, an die Nacht des ersten Mals ließ mich erröten und ich konnte nicht anders, als ertappt zu lächeln. Verschämt verdeckte ich mein anzügliches Grinsen.
Ungestüm stellte er jetzt die Lampe beiseite, legte sich auf die dünnen Decken auf dem Zeltboden und zog mich zu sich herab. Ich legte mich an seine Seite. Istvan konnte einfach nicht aufhören, breit zu grinsen und mich unaufhörlich anzustarren. Dann strich er mir die Haare aus dem Gesicht. Mit seiner herrlich tiefen Stimme mit dem leicht rauen Unterton, der mich immer wieder aufs Neue erstaunte, murmelte er mir etwas zu.
„Das hat mir so gefehlt. Ich glaube fast, das habe ich am meisten vermisst!“
„Was ist? Was meinst du?“ Auch ich flüsterte -seltsamerweise und verdeckte noch immer mein breites Grinsen, das mir irgendwie peinlich war.
„Das, was du da machst, mit der Hand. Wenn du auf eine ganz bestimmte Art lächelst, verdeckst du deinen Mund mit dem Handrücken oder dem Handknöchel. Dann strahlen deine blauen Augen alleine. Und ich kann dein Lächeln fühlen, ohne es eigentlich zu sehen“, gestand er mir und schloss die Augen, als würde er im Traum sprechen. Diese Geste von mir war mir nie bewusst gewesen. Aber Istvan schien sie viel zu bedeuten. Ich genoss es, dass ich das jetzt wusste.
Einfach so mit ihm dazuliegen, in diesem schwach beleuchteten Zelt, war einfach himmlisch, fast schon zu schön, um wahr zu sein.
So gerne hätte ich mich weiterhin diesem Gefühl hingegeben, diesem friedlichen Zusammensein. Doch das Bedürfnis, ihm alles zu erzählen, die ganze schreckliche Wahrheit, war ebenso stark. Ich war plötzlich gierig nach weiteren Wahrheiten, die ich aufdecken wollte, und begann ihn auszufragen. Das
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