Wolfsfieber - Band 2
während ich mein Gesicht zur Seite drehte.
„Die anderen starren uns ständig an“, flüsterte ich aufgebracht „und wer kann es ihnen verdenken“, fügte ich grimmig murmelnd hinzu. Schließlich lagen wir ausgestreckt in der Mitte des riesigen Versammlungssaals im Dogenpalast von Venedig auf dem Boden und starrten auf die Decke.
„Willst du nun die alten Meister richtig sehen oder willst du dich um die Meinung irgendwelcher Leute scheren, die du sowieso nie wiedersehen wirst?“, fragte Istvan. Im Grunde klang es wie eine eindeutige Aufforderung. Zum vierten Mal sah ich mich um, ob nicht doch eine Flurwache auf uns aufmerksam geworden war, dann antworte ich ihm weiterhin gedämpft:
„Natürlich will ich die Renaissancegemälde sehen, das weißt du doch. Aber ich möchte deswegen nicht von der Security aufgegriffen werden“, zischte ich. „Und wieso müssen wir dafür auf dem Boden liegen?“ Der Fußboden war verdammt kalt.
„Meine Joe“, grinste er, „sie kann nichts einfach so genießen, ohne es zu hinterfragen“, meinte er kopfschüttelnd.
„Also, das stimmt nun wirklich nicht!“, beschwerte ich mich stur. „Ich genieße dich ganz oft … Und so weit ich mich erinnere, habe ich das nie hinterfragt“, neckte ich ihn, rollte mich an seine Seite und begann ihn zu küssen. Er konnte selbst beim Küssen nicht aufhören, schief zu grinsen. Ich war mir dessen bewusst, dass er über mich lachte, aber im Moment war mir das egal. Es gefiel mir sogar.
Das lauter werdende Tuscheln der anderen Besucher holte uns in die Realität zurück.
„Die alten Meister“, erinnerte ich ihn atemlos.
„Hm. Wer?“, fragte er zerstreut. „Ach ja … Sieh doch mal!“, meinte er und streckte seine Hand aus. Istvan deute auf eine weit entfernte Abbildung eines antiken Gottes, der in seinen kräftigen Farben strafend auf uns herab sah.
„Und das! Veronese. Eine unglaubliche Komposition. Die blonde Dame als Sinnbild für Sanftmut und diese Venus als Inkarnation des Fleißes. Auch die Farbgestaltung ist magisch“, flüsterte er mir ins Ohr. Während ich versuchte, mich auf das Bild über mir zu konzentrieren, war mein anderes Ohr auf das rasche Pochen seines Herzschlags gerichtet. Zum ersten Mal verstand ich, was Istvan meinte, wenn er sagte, dass manchmal Bilder in Verbindung mit einem Herzschlag für ihn eine ganz andere, tiefer gehende Bedeutung bekämen. Jetzt ging es mir genauso. Ich würde dieses Bild nie wieder vergessen, auch diesen Moment nicht. Nicht in tausend Jahren!
Ich konnte mein Glück noch immer nicht fassen. Ich wusste auch jetzt nicht, was Istvan dazu gebracht hatte, noch einen Tag länger in Venedig zu bleiben. Aber als er es angeboten hatte, war ich vollkommen überrumpelt. Nur deshalb hatte ich nicht sofort Ja gesagt.
Wir hatten gerade Miriam zum Flughafen gebracht, damit sie nach München, nach Hause, fliegen konnte. Jetzt, wo ihr Urlaub zu Ende ging, wartete ihre Arbeit auf sie und Woltan bestand darauf, dass sie nicht weiter bei ihm bleiben sollte, solange die Farkas-Sache nicht endgültig geklärt war. Anders, als ich erwartet hatte, war es kein tränenreicher Abschied, sondern eine kurze Umarmung, gefolgt von einem flüchtigen Kuss. Miriam wünschte mir und sogar Istvan tatsächlich alles Gute, dann stieg sie in ihren Flieger. Wir verließen ihr Gate und warteten auf den Aufruf für unsere eigene Flugnummer, als Istvan plötzlich hochfuhr, sich entschuldigte und mit Woltan eine ganze Weile verschwand. Ich blieb mit unseren Taschen zurück und kam mir irgendwie übergangen vor.
Was führte er bloß im Schilde?
Woltan kam zurück, schnappte sich still und heimlich seine Tasche und ging in Richtung Gepäckaufgabe. Er sagte kein Wort zu mir. Alles, was er mir schenkte, war ein Kopfschütteln und ein zweideutiges Grinsen. Erst als er schon fast weg war, murmelte er: „Bis bald“, drehte er mir den Rücken zu und verschwand um die Ecke. Da tauchte Istvan auf, als hätten sie das Ganze, wie ein billiges Theaterstück, inszeniert.
„Was soll das? Wieso zieht Woltan alleine los? Und wieso ist er so komisch?“, fuhr ich Istvan an und musterte ihn dabei verärgert. Ich mochte es ganz und gar nicht, dass ich über alles im Unklaren gelassen wurde.
„Er hält mich für verrückt. Denke ich zumindest“, kommentierte Istvan trocken. Seine aufgesetzte Unbekümmertheit reizte mich, deshalb sagte ich auch: „Tja, weißt du, da ist er nicht der Einzige!“
„Du wirst noch bereuen, das
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