Wolfsfieber - Band 2
wenn die Krämpfe einsetzen, wirst du dir wünschen, nie geboren worden zu sein. Deine Muskeln werden zu Stein. Du versteinerst. Und das ist keine verdammte Metapher!“ Er machte eine dramatische Pause, ließ das Gesagte auf mich wirken. Dann griff er wieder an.
„Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn deine Adern versuchen, die Haut zu durchbrechen? Hast du auch nur die geringste Vorstellung davon, wie elendig schmerzvoll die eigentliche Verwandlung ist?! Ich habe nicht einmal Worte, um diese Qualen zu beschreiben. Und ich spreche fünf Sprachen!“
Er war nun schonungslos offen zu mir. Soviel gab er sonst nicht von sich preis, schon gar nicht von dieser Seite seines Wesens, aber hatte mich Istvan früher schonen wollen und deshalb die wahren Schmerzen abgeschwächt, so beabsichtigte er jetzt, dass ich begriff, wovor er mich schützen wollte. Unbedingt.
Ich bemerkte aber nicht länger, dass er dadurch versuchte, mir Angst zu machen, für mich. Ihn irgendwie trösten zu können, war jetzt der einzige Gedanke, der für mich noch zählte. Es fiel mir nichts Besseres ein, als meine Stirn an seine zu lehnen und sein Gesicht sanft und behutsam in meine Hände zu betten. Istvans angespannter Kiefermuskel zuckte unter meiner Berührung.
„Verstehst du nicht? Der Doktor meinte, es könne dir drei volle Nächte lang so gehen, ohne Erlösung, weil die Verwandlung ausbleibt. Verlang das nicht von mir“, flehte er gebrochen, seine Augen fest geschlossen, damit ich nicht sehen musste, wie sehr ich ihn verletzt hatte. Es war zwecklos, denn vor meinem geistigen Auge sah ich es: das flackernde Glühen seiner Smaragdaugen. Mir schnürte es die Kehle zu, das Bild seines Schmerzes. Ich verstummte im Bewusstsein meiner Schuld.
„So etwas tu ich dir nicht an. Und ich werde den Teufel tun und zulassen, dass du es dir selbst antust. Dafür habe ich dich nicht aus dem Wasser gezogen. Dafür nicht! Du sollst nicht so ein Leben haben … so eines wie ich. Bitte, tu mir das nicht an!“, flehte er angestrengt und umfing meine zu Fäusten geballten Hände.
Die zurückgedrängten Tränen hörte man der Rauheit seiner Stimme an. „ Ich habe Istvan beinahe Tränen in die grünen Augen getrieben , schrie mein Inneres aufgebracht. Mein Herz bekam durch die Erkenntnis einen Knacks, einen weiteren.
„Verzeih mir! Verzeih mir!“, bat ich immer wieder und küsste manisch seine Wangen, gefolgt von seinen Wangenknochen, den Punkt unter seinen Augen, die ich anbetete, und zuletzt überzog ich seine Stirn mit meiner streifenden Unterlippe.
Er beruhigte sich langsam, misstraute aber meinem schnellen Meinungsumschwung weiterhin.
„Um es zu besiegeln, sag mir, dass du dir niemals, unter keinen Umständen, dieses Mittel spritzt“, verlangte er von mir zu hören. Er zwang mich, es auszusprechen, und umklammerte dabei meine Schultern mit seinen kraftvollen Händen.
„Sag es, Joe.“ Istvan wartete ungeduldig.
„Na gut. Ich werde das verdammte Zeug nie nehmen. Zufrieden?“
„Ja“, stieß er deutlich erleichtert hervor.
Die Konsequenzen dieses Versprechens fegten etwas in mir leer. Ich befreite mich aus seiner Umklammerung und saß wieder auf der Bank vor dem trüben Wasser. Um zu wissen, dass er auf mich zukam, musste ich mich erst gar nicht umdrehen, denn ich fühlte ihn bereits näher kommen. Mein Rücken richtete sich wie von selbst auf. Nun war es an ihm, mich zu trösten. Schließlich gab ich einiges mit dieser Entscheidung auf. Vielleicht legte er gerade deshalb seine Hand mitfühlend auf meine Schulter.
„Da ist noch etwas“, begann er zögerlich, bevor er an meine Seite kam und sich zu mir setzte.
„Ich liebe deine Menschlichkeit. Das will ich nicht verlieren“, vertraute er mir verhalten an.
Ich vergrub mein Gesicht in seiner Schulterbeuge, umklammerte seine Taille und verstand. Wie könnte ich ihm je etwas nehmen, das ihm soviel zu bedeuten schien?
Auch wenn das bedeutete, selbst, wenn es uns gelingen würde, eine gemeinsame Zukunft zu haben, unser Glück wäre, besonders unsere gleichrangige Gemeinsamkeit zeitlich beschränkt. Denn ich würde viel schneller altern als Istvan. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, wie man überhaupt mit so etwas fertig werden konnte. Doch vielleicht zählt die Intensität der gemeinsamen Zeit mehr als die tatsächliche Dauer , tröstete ich mich halbherzig.
11. Venezianisches Versteck
„Du weißt schon, dass das irgendwie verrückt ist?“, fragte ich ihn,
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