Wolfsfieber - Band 2
erzählt bekommen.
„Er trug eine rote Hose, Reiterstiefel, einen Säbel, eine Ledertasche mit Emblem, dazu einen grünen Rock mit Stehkragen, der mit einem doppelreihigen Muster in Silber bestickt war … mit solchen geschwungenen Verzierungen“, merkte ich an und versuchte das Muster in der Luft nachzuzeichnen. „Auf einer seiner Schultern hing eine grüne Jacke mit Pelz. Es war eine Uniform. Unverkennbar. Da bin ich mir sicher“, setzte ich abermals hinzu.
„Ein Husar, ganz eindeutig“, murmelte Valentin vor sich hin.
„Husar? Diese ungarischen Offiziere der k. u. k. Armee? Wie merkwürdig“, nuschelte ich ungläubig. Das ergab einfach keinen Sinn. Zumindest nicht für mich.
„Ein Husar ist ein Soldat der ungarischen Reitertruppen, ein Krieger. Du hast Istvan als Krieger gesehen!“, verkündete Valentin beinahe feierlich. Er schien sich über irgendetwas sehr zu freuen. Seine beschwingte Stimmung passte so gar nicht zum Ernst der Lage, in der wir uns befanden.
„Das ist ein Zeichen. Bestimmt!“, zischte er mich an und packte dabei meine Hände. Ich fuhr erschrocken hoch. Was für ein Zeichen? Wieso war Valentin so seltsam vergnügt?
„Was hat das zu bedeuten?“, fragte ich ihn und konnte nicht aufhören, ihn böse anzufunkeln.
„Oh, es tut mir leid. Das kannst du natürlich nicht verstehen“, entschuldigte er sich. „In deinem Traum hast du Istvan als Krieger gesehen, als Husar. Das könnte bedeuten, dass der Zeitpunkt gekommen ist. Er muss schon bald bereit sein, sich seiner inneren Zerrissenheit zu stellen“, erklärte er mir zufrieden, bevor er weitersprach.
„Wenn er es tatsächlich schafft, sich selbst anzunehmen, könnte er es vielleicht sogar über sich bringen, sein wahres Wesen als Krieger zu akzeptieren. Dein Traum spricht dafür. Dann wäre auch meine Unterweisung nicht ganz umsonst gewesen.“
„Welche Unterweisung? Was soll das alles heißen?“, fauchte ich aufgebracht.
„Joe, als Istvan zu mir kam, unterwies ich ihn in der Kampfkunst. Damals dachte ich noch, er könnte für unsere Sache antreten. Aber bald war klar, dass er weder bereit sein würde, sich jemandem unterzuordnen, auch mir nicht, noch dass er jemals wirklich ein Krieger sein könnte. Er weigerte sich, mit seiner Ausbildung fortzufahren.“
„War er nicht … gut ?“, fragte ich widerwillig und dachte dabei an seine tiefsitzende Abneigung gegen jede Gewalt und gegen die natürliche Wildheit seines Wolfswesens.
„Nicht gut!“, blaffte Valentin rätselhaft. „Joe, er war der -beste Schüler, den ich je hatte. Der geborene Anführer. Der geborene Kämpfer. Er war zu gut. Es erschreckte ihn, wie sehr es ihm lag. Wie gut er darin war zu kämpfen. Istvan wollte es nicht wahrhaben.“
Ich fühlte plötzlich keinen Boden mehr unter den Füßen. Sprach Valentin da tatsächlich von meinem Istvan? Von Istvan, dem Pazifisten. Von Istvan, dem sanften Bibliothekar, den ich zu kennen glaubte, den ich ohne Zweifel liebte. Wieso hatte er mir dieses entscheidende Detail seiner Vergangenheit verheimlicht? Wieso gab es immer etwas, was er vor mir verbarg? Hatte Istvan solche Angst davor, dass die ganze Wahrheit über ihn das Bild, das ich von ihm hatte, verändern könnte? Dass es sogar meine Liebe beeinflussen konnte? Kannte er die Unabänderlichkeit meiner Gefühle für ihn noch immer nicht?
Mir drehte sich alles. Zuerst dachte ich, dass es von Valentins Enthüllung käme, doch bald wurde mir klar, dass es viel mehr an meinen düsteren Gedanken lag. Ich wünschte mir so sehr, dass ich jetzt mit Istvan nur ein paar Minuten reden könnte, doch er würde jetzt aus keinem Grund der Welt seinen Posten verlassen. So blieb mir nur, zurück ans Fenster zu gehen, durch das bereits das aufgehende Mondlicht schien. Ich versuchte, Istvan in der beginnenden Dunkelheit auszumachen. Fast hätte ich aufgeschrien, als ich ihn gekrümmt auf dem Boden entdeckte, wo er sich wild in Verwandlungsschmerzen wand. Begreifend drehte ich mich um, wo ich den vom Fieber gezeichneten Valentin, der sich zu verwandeln begann, auf dem Boden erblickte. Ehe der Mond noch ganz aufgegangen war, stand Valentin bereits als Wolf vor mir, mitten in der Küche. Seine wissenden Augen ruhten auf mir und er begann sich dicht an meine Seite zu stellen, so wie er es, wie ich nur vermuten konnte, Istvan hatte versprechen müssen. Ich vermeinte, Istvan noch weiter an seinem Wolfsfieber leidend vorzufinden, so wie es sonst auch vor sich ging. Doch aus irgendeinem
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