Wolfsfieber - Band 2
Seite des Hauses. Istvan verteidigte die Vorderseite, während sich Woltan der Nord- und seine Schwester Serafina sich der Südseite widmete. Für Marius blieb noch die hintere Ostfront. Ich schenkte Istvan noch einen ernsten, sehnsüch-tigen Blick, den er in derselben Weise erwiderte, ehe ich seiner Bitte folgte und in die Jagdvilla eintrat. Es gab jetzt nur noch einen Werwolf, der übrig war.
„Valentin?“, rief ich leise. Laut zu rufen, war nicht notwendig.
„In der Küche“, antworte er ruhig. Seiner Samtstimme war kein Zeichen von Aufregung oder Besorgnis anzumerken.
Ich betrat die geräumige Küche und fand Valentin neben dem Tisch vor. Die grelle Nachmittagssonne beschien den Rumänen und ließ seine dunkle Gestalt fast leuchten. Zuerst musste ich fast schmunzeln, als ich bemerke, dass er doch tatsächlich ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Jeans trug. Das warme Wetter nahm seiner Kleidung etwas von der würdevollen Aura. Doch sobald er den Mund auftat, verschwand dieser Eindruck sofort.
„Ich habe die Ehre, heute als deine persönliche Leibgarde zu fungieren“, offerierte er mir und bat darum, dass ich mich zu ihm setzte, was ich tat.
„Danke für deinen Schutz , aber wie willst du eigentlich mein Bodyguard sein, wenn es erst Nacht wird?“, wollte ich etwas irritiert wissen.
„Du meinst, wenn ich etwas haariger sein werde?“, scherzte er. Ich nickte und unterdrückte ein unangebrachtes Grinsen.
„Sagen wir mal, dass ich so lange versuche, einen menschlichen Körper zu behalten, wie es geht, und wenn ich dann ein Wolf bin, kann ich auch ganz gut auf dich achtgeben. Versprochen“, meinte Valentin und zwinkerte mir aufmunternd zu.
„Was machen die da draußen eigentlich?“, fragte ich durch das große Küchenfenster schauend, das mir Istvan zeigte, der von einer Seite des Hauses zur anderen hin und her tigerte.
„Sie bilden einen Verteidigungsring. Jeder von ihnen übernimmt eine Himmelsrichtung und ist dafür verantwortlich, dass nichts und niemand seiner Aufmerksamkeit entgeht und den Kreis durchbricht“, grübelte Valentin laut nach. „Es ist eine altbekannte Verteidigungstaktik“, setzte er gleichgültig nach.
„Du verstehst sehr viel davon, nicht wahr?“, fragte ich weiter. Istvan behielt ich dabei immer im Blick. Dafür setzte ich mich auf das breite Fensterbrett. Valentin kam zu mir und lehnte sich daran.
„Es gehört zu meinen Aufgaben, diese Dinge zu kennen. Nur so kann ich tun, was notwendig ist. Du musst dir deswegen keine Sorgen machen. Wir wenden dieses Wissen nur zur Verteidigung an … nur für gute Zwecke“, fügte er hinzu und legte mir seine Hand auf die Schulter.
„Istvan weiß doch, was er da tut? Ich meine, ich weiß, dass er als Wolf kämpfen kann, aber bis es soweit ist, dauert es noch eine Weile. Kann er auch als Mensch gegen ‚Die Drei‘ … kämpfen?“, verlangte ich mit gebrochener Stimme von Valentin zu wissen.
„Ja“, meinte er knapp und merkwürdig überzeugt.
Die nächste Stunde schleppte sich nur so dahin. Sie war unerträglich, diese Warterei auf einen Angriff. Es würde noch nicht einmal zwei Stunden dauern, dann fingen die Verwandlungen an. Von da an würde ich ganz alleine sein und niemanden haben, mit dem ich mich unterhalten könnte. Genau genommen wäre ich die ganze Nacht lang der einzige Mensch im Haus. Der Gedanke ließ ein merkwürdiges Gefühl der Einsamkeit aufsteigen, das ich dadurch verscheuchen wollte, indem ich weiter mit Valentin sprach, der geduldig meine Fragen beantwortete und meine Sorgen zerstreute. Es zumindest versuchte.
Als uns der Gesprächsstoff langsam zur Neige ging, fühlte ich eine sonderbare Verpflichtung, Valentin von meinem Traum zu erzählen. Erst seine Reaktion darauf machte mir klar, dass es unumgänglich gewesen war. Absolut überzeugt davon, dass es sich dabei um einen prophetischen Traum handeln musste, begann er sofort die Symbole des Traumes zu entschlüsseln.
„Die Prinzessin kann nur meine Serafina sein“, schlug er liebevoll vor. Ich nickte zustimmend. Diese Interpretation lag auf der Hand.
„Wer dieser dunkle Krieger ist, kann auch ich mir nicht vorstellen“, musste er missmutig zugeben. „Aber es scheint, dass er eine tiefe Verbindung mit Istvan hat, wie immer die auch aussehen mag“, sinnierte Valentin vor sich hin, während ich ihm gebannt zuhörte, wie er mir meinen eigenen Traum verdeutlichte.
„Wie hat Istvan noch mal ausgesehen?“, wollte er ein zweites Mal von mir
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