Wolfsfieber - Handeland, L: Wolfsfieber
zischte.
„Ihn zu beleidigen, wird dich nur in Schwierigkeiten bringen.“ Cassandra hob Lazarus auf und brachte ihn zurück in seinen Käfig.
Ich hatte erwartet, dass ihr von Mrs Beaslys Attacke ein spektakuläres Veilchen zurückgeblieben wäre, aber ich konnte unter ihrem kunstvoll aufgetragenen Make-up nur einen leicht bläulichen Schimmer erkennen. Ich schätze, ein blaues Auge wäre nicht gut fürs Geschäft gewesen.
„Warum ist es eine Beleidigung, ihn ein Reptil zu nennen?“, fragte ich.
„Er hält sich für einen Loa .“
„Mir ist zwar klar, dass ich die Antwort bestimmt nicht hören will, aber was bitte ist ein Loa ?“
Mit einem weichen Lächeln wandte sie sich vom Käfig ab. „Du weißt, dass Vodun eine Religion ist, oder?“
„Vodun?“
„Das ist der bevorzugte Ausdruck der Gläubigen für Voodoo.“
„Ups.“ Ich zuckte mit einer Schulter. „Tut mir leid.“
„Ist nicht weiter tragisch. Das Wort bezeichnet in der Sprache des Landes, das heute Nigeria heißt, einen Geist beziehungsweise ein göttliches Wesen. Die Götter des Vodun nennt man Loas .“
Ich warf einen beunruhigten Blick zu Lazarus. „Er denkt, er ist ein Gott?“
„Soweit er zum Denken imstande ist.“
Was meiner Einschätzung nach nicht besonders weit sein konnte, aber er war ihre Schlange.
„Was führt dich so früh am Morgen her?“
„Die Verzweiflung.“
Ihr Blick wurde durchtrieben. „Wir haben es also tatsächlich mit Vampiren zu tun?“
Ich setzte zu einer Erwiderung an, unterließ es dann aber. So viel war seit meinem letzten Besuch hier passiert.
„Ich meinte, dass ich mich verzweifelt nach einer Dusche sehne.“
„Oh, sicher. Nur zu.“ Doch als ich gerade die Hinterräume des Ladens ansteuern wollte, hob sie die Hand. „Aber zuerst erzählst du mir, was du herausgefunden hast.“
Da als Belohnung heißes Wasser und Seife winkten, gehorchte ich.
„Du glaubst also, dass es hier um Werwölfe und nicht um Zombies oder Vampire geht?“, folgerte sie.
„War dein Messer aus Silber?“
„Selbstverständlich.“
Ich legte den Kopf schräg. Selbstverständlich? „Sind die nicht ein bisschen selten?“
„Nicht in meiner Welt“, entgegnete sie. „Ich habe gelernt, dass es nie schaden kann, stets das Beste einzupacken.“
Angesichts dessen, was auf dem Friedhof geschehen war, konnte ich das gut nachvollziehen.
„Du denkst, Ruelle ist einer von ihnen?“
„Ich bin noch unentschlossen.“
„Was weißt du über seinen Hintergrund?“
„Habe ich dir nie erzählt, was ich von Mrs Beasly erfahren habe?“
„Bevor sie von den Toten auferstanden und anschließend explodiert ist?“
Ich bedachte Cassandra mit einem langen Blick.
„Blöde Frage. Red weiter.“
„Die Ruelle-Frauen haben in über hundert Jahren kein einziges Mädchen zur Welt gebracht.“
„Okay. Keine große Sache.“
„Adams Vater und sein Großvater haben Selbstmord begangen.“
„Das ist schon eine größere Sache.“ Sie runzelte die Stirn. „Mir gefällt das nicht.“
„Ich bezweifele, dass es ihnen selbst besonders gefallen hat.“
„Die Ruelles könnten die verfluchte Familie aus der Legende sein. Sie sind schon seit Jahrhunderten in New Orleans ansässig. Ich wette, dass sie früher Sklaven hielten.“
„Falls sie Werwölfe waren, wie konnten sie dann Selbstmord begehen?“
„Hm, gute Frage.“
„Ich meine, wären sie dann nicht unsterblich?“
„Unsterblich hat heute nicht mehr dieselbe Bedeutung wie einst.“ Ich sah sie fragend an, und sie erklärte: „Vampire können durch Sonnenlicht oder einen Pflock ins Herz sterben. Werwölfe durch Silber. Sie sind also nicht unsterblich. Nicht wirklich.“
„Ich verstehe, worauf du hinauswillst.“
„Wie genau sind die Ruelles ums Leben gekommen?“
„Haben sich das Gehirn rausgepustet.“
„Mit Silber?“
„So detailliert waren die Zeitungsartikel nicht.“
„Nein, vermutlich nicht. Aber möglicherweise gelingt es uns, an die Autopsieberichte ranzukommen.“ Sie verstummte für mehrere Sekunden. „Mrs Beasly hat dir diese Geschichte erzählt, und kurz darauf klettert sie geifernd und knurrend aus ihrer Familiengruft.“
„Könnte man so sagen.“
„Ich denke, wir sollten mit den Favreaus sprechen.“
„Ich denke, du hast recht.“
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Ein kurzer Ausflug ins Internet ergab, dass Arianna Beaslys angeheiratete Verwandtschaft ein Haus im Garden District bewohnte, während ihre eigene Familie, die Favreaus, noch immer im French
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