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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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warme Gegenwart mich besänftigte und meine Unruhe
    sich langsam legte.
    „Doch. Aber du solltest in der Zwischenzeit wissen, dass
    ich mir immer Sorgen um dich mache. Ich habe sogar bei dir
    vorbeigeschaut. Vor etwa einer Stunde. Ich hörte deinen lei-
    sen Herzschlag im Bad, deshalb habe ich nicht angerufen.“
    „Oh, tut mir leid. Aber ich kam etwas später nach Hause,
    als ich dachte. Können wir jetzt hineingehen? Mir ist etwas
    kalt hier draußen“, bat ich ihn, woraufhin er prompt die Tür
    aufriss.
    Ich ging vor ins Wohnzimmer. Istvan folgte mir und nahm
    mir den Mantel ab, sobald ich den Raum betreten hatte. Da
    fiel mir ein, dass der Beutel noch darin war.
    „Könntest du den Mantel bitte übers Sofa hängen?“, bat
    ich ihn, was er natürlich tat.
    „Du möchtest doch nicht bald wieder gehen?“, fragte er
    mich mit erstaunten, traurigen Augen.
    „Oh nein, natürlich nicht. Wieso sollte ich?“, versuchte
    ich ihn zu beruhigen.
    „Ich weiß auch nicht. Ich hatte so ein komisches Gefühl.
    Tut mir leid.“
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    „Istvan“, begann ich und bekam einen ernsten und nach-
    denklichen Tonfall, der ihn sofort aufmerksam werden ließ.
    Er hörte mir gebannt zu.
    „Ich wollte mich nochmals für Wien bedanken. Das
    werde ich nie vergessen. Es war einfach wunderschön. Der
    beste Geburtstag aller Zeiten. Aber seither habe ich darüber
    nachgedacht, wie ich mich bei dir erkenntlich zeigen kann.
    Ich weiß, dass du das nicht erwartest, aber ich möchte es
    unbedingt. Aber vorher muss ich dir etwas erzählen.“ Ich
    machte eine Pause, um in seinem Gesicht zu lesen oder sei-
    ne Reaktion abzuschätzen. Aber außer seinen umwerfenden
    grünen Augen gab es nichts, was mir einen Hinweis auf sein
    Befinden gab. Er schien einfach aufmerksam zuzuhören.
    „Als ich noch sehr klein war, ein Kind, da hatte ich be-
    sonders viel Fantasie und ich dachte mir immer Geschichten
    aus, um mir die Welt um mich herum zu erklären oder mich
    zu beruhigen, wenn ich Angst hatte. Ich war, wie gesagt, noch
    ein kleines Mädchen, als ich, wie viele andere auch, Angst
    vor der Nacht hatte. Doch mein Vater erklärte mir die Stern-
    zeichen und die Geschichten über ihre Entstehung. Danach
    fing ich an, keine Angst vor der Nacht mehr zu haben. Be-
    sonders weil ich wusste, dass es da einen Jäger am Himmel
    gab, der uns alle beschützt, Orion. Dieses Sternbild wurde
    zu meinem persönlichen Schutzheiligen. Ich kann es dir gar
    nicht wirklich erklären, aber jedes Mal, wenn ich Angst be-
    kam, sah ich zu ihm hoch und plötzlich verschwand meine
    Angst und ich fühlte mich sicher. Und sogar später, viel spä-
    ter, als Teenager und sogar heute noch sehe ich manchmal
    hoch und jedes Mal, wenn ich dann Orion finde, fühle ich
    mich geborgen und zu Hause. Kannst du das verstehen?“,
    fragte ich ihn und hoffte, dass er es konnte.
    „Ja, das kann ich gut verstehen. Ich wäre froh, wenn es
    tatsächlich jemanden gebe, der immer so über dich wacht
    wie Orion über dein kindliches Ich. Aber Joe, wieso erzählst
    du mir gerade jetzt davon?“, forderte er mich zu einer Er-
    klärung auf und ich antwortete, indem ich in meine Mantel-
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    tasche griff und den schwarzen Samtbeutel aus der Tasche
    zog. Mit dem Säckchen in der Hand sprach ich weiter. Sei-
    nen Blick fixierte ich dabei, ohne auch nur einmal zur Seite
    zu sehen.
    „Deshalb. Seit wir uns begegnet sind, besonders seit je-
    nem Abend auf dem Turm habe ich den eigentlichen Orion
    nicht mehr gebraucht. Es gibt jetzt einen anderen, bei dem
    ich Geborgenheit suche und den ich liebe. Viel mehr und
    tiefer, als ein Kind lieben kann. Dich, Istvan. Ich habe nun
    dich. Du bist mein Orion, in jeder Hinsicht.“
    Ich stand auf und kniete vor ihm. Er saß wie elektrisiert
    auf seinem Ledersessel und starrte mich an, stumm. Ich
    befreite die Medaille aus ihrem Samtversteck und gab sie
    ihm. Er nahm sie ganz automatisch in seine Hand, während
    meine Arme sich auf seine Knie und Oberschenkel stützten.
    Er betrachtete lange schweigend die silberne Scheibe mit
    dem Sternbild darauf, von der ich wünschte, ich hätte sie
    gravieren können. Doch das hätte ich niemals gekonnt. Es
    würde gegen die Geheimhaltung verstoßen, selbst wenn ich
    nur meine Initialen hätte einprägen lassen. Doch ich hoffte,
    meine Gabe würde für sich selbst sprechen.
    Er schwieg auch noch nach einigen Minuten. Immer wie-
    der drehte er das Schmuckstück in der Hand und besah es
    von jeder Seite. Es erinnerte mich

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