Wolfsfieber
etwas beruhigen zu können.
„Sieh doch. Es geht mir gut. Du hörst es doch an meinem
Puls. Alles im grünen Bereich. Bitte reg dich nicht so auf. Und
bitte sei nicht wütend auf Serafina. Wenn sie nicht gekommen
wäre … Daran will ich gar nicht erst denken“, murmelte ich
mit geschlossenen Augen, weiterhin an seine Brust gedrückt.
„Mach mir doch nichts vor, Joe. Gestern Nacht hätte
dein Herzschlag ein paar Mal jedes Blutdruckmessgerät ge-
sprengt. Du hattest Todesangst. Spiel das nicht runter!“
„Natürlich hatte ich Angst. Das ist doch verständlich.
Ich hatte Angst um dich, um euch beide. Aber ich finde,
für jemanden, der keinerlei Erfahrungswerte auf diesem Ge-
biet hat, habe ich mich recht gut geschlagen. Zwar nicht so
gut wie Serafina, aber immerhin“, merkte ich an und grinste
schief. Das kam bei Istvan gar nicht gut an. Serafina dagegen
schien meinen Beitrag zu würdigen.
„Danke, Joe. Aber ich kann mich selbst verteidigen. Au-
ßerdem bin ich mir deutlich bewusst, dass ich Mist gebaut
habe. Mein System hat versagt“, sagte sie, wobei Ärger und
Schuldgefühl in ihrem Tonfall mitschwangen.
„Und ob. Darüber reden wir später noch genauer“, war
das Letzte, was er Serafina ins Gesicht schleuderte, ehe er
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mit mir, die sich um seine Hüfte schlängelte, zur Vorratskiste
ging. Ich ließ ihn los, damit er sich ein paar Sachen aus der
Box nehmen konnte, und wartete, bis er sich die schwar-
ze Jogginghose und das schwarze T-Shirt angezogen hatte.
Dann erst reichte ich ihm die Wasserflasche, aus der ich zu-
vor einen kleinen Schluck nahm. Er leerte den Rest in einem
einzigen Zug und wischte sich die vergossenen Tropfen vom
Mund. Ich wollte gerade nach der Flasche für Serafina grei-
fen, da packte er meinen Arm und ich dachte schon, er wür-
de ihr das Wasser verweigern. Doch er nahm die Flasche
selbst heraus und gab sie ihr. Die Art, wie er es tat, erinnerte
an eine symbolische Wiedergutmachungsgeste, die Serafina
annahm. Auch seine Worte waren deutlich versöhnlicher.
„Auch wenn ich verdammt sauer auf dich bin, bin ich mir
dennoch bewusst, dass du mir den Arsch gerettet hast. Und
was noch viel wichtiger ist: Du bist gekommen, um Joe zu
schützen. Also, sind wir quitt?“, fragte er und hielt ihr immer
noch die Flasche vor die Nase.
„Wir sind quitt“, antwortete Serafina und nahm einen gie-
rigen Schluck aus der Flasche. Die Aussöhnung der beiden
beruhigte auch meine Nerven. Während Istvan und Sera fina
die Kampfgeschehnisse der letzten Stunden besprachen,
suchte ich nach der Tasche mit meiner Reserve-Kleidung
und kramte einen leichten Pullover und schwarze Leggins
hervor, die ich Serafina leihen wollte. Wir schienen beide
dieselbe Größe zu haben. Ich legte die Sachen auf den Rück-
sitz und rief sie zu mir. Sie unterbrach ihre Fachdiskussion
mit Istvan, der ich ohnehin nicht hätte folgen können, und
kam sofort zu mir.
„Was gibt’s, Joe?“, fragte sie mich freundlich.
„Ich habe dir ein paar Sachen von mir rausgesucht. Sie
liegen auf dem Rücksitz. Du kannst dich im Wagen umzie-
hen. Ich hoffe, die Kleidung ist in Ordnung“, wollte ich un-
sicher wissen und deutete in Richtung des kleinen Stoßes.
„Ja, natürlich. Nach einer Vollmondnacht bin ich nie be-
sonders wählerisch“, scherzte sie und stieg in den Wagen.
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Ich drehte mich um. Obwohl Serafina kein Bedürfnis nach
Privatsphäre verspürte, ich war daran gewöhnt und tat es
mehr für mich als für sie.
Ich trat an Istvans Seite, der noch immer dabei war, sich
in einen Sorgenanfall zu verstricken. So leise ich konnte,
flüsterte ich ihm ins Ohr.
„Bitte, sei nicht allzu böse mit Serafina. Ich bin sicher, sie
hat ihr Bestes getan. Versprich mir, dass du wenigsten fair zu
ihr sein wirst!“, verlangte ich von ihm und wusste, dass er es
mir nicht abschlagen würde, wenn ich mein Bittgesuch mit
einem sanften Kuss auf seine Lippen bekräftigen würde.
„Na gut. Ich versuche mich zu beherrschen. Aber nur,
weil du mich darum gebeten hast. Ich hoffe nur, sie hat eine
gute Erklärung parat“, deutete er an und ich wusste, meiner
Bitte wurde nur mit Vorbehalten zugestimmt.
Ich nickte und er küsste mich nochmals, aber in seinem
heißen Kuss schmeckte ich leichte Bitterkeit. Die Unzufrie-
denheit mit seinem, mit unser aller Versagen setzte ihm ge-
waltig zu.
Er umarmte mich, etwas kraftloser als gewöhnlich. Die
Anstrengungen der vergangenen
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