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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber
Autoren: R Adelmann
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frühere Anziehung, die uns aufeinander zustürmen ließ,
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    wie von selbst nun ins Gegenteil verkehrt. Das versetzte mir
    einen Stich. Dafür würde Farkas büßen, das schwor ich mir
    in diesem Moment.
    Es war zwischen uns noch immer kein Wort gesprochen
    worden. Wir sprachen nicht, als es begann, Nacht zu wer-
    den. Wir sagten keinen Ton, als er mir aus der Küche zwei
    Säckchen mit gefrorenen Erbsen brachte, die er mir um die
    Schultern und den Hals legte, sorgfältig darauf bedacht, mich
    nicht zu berühren. Er brachte sich danach so schnell in seine
    alte Sitzposition zurück, dass ich das Gefühl bekam, giftig
    zu sein. Kein schönes Gefühl. Ich versuchte, mir die kühlen
    Erbsen auf die schmerzenden Stellen zu legen, und musste
    feststellen, dass es mir sehr gut tat. Ich wollte mich schon für
    den Einfall bedanken, da fiel mir im letzten Moment wieder
    meine Schreckensstimme ein und ich brach meinen Sprech-
    versuch sofort ab. Er stierte schon wieder auf meinen Hals,
    auf die dunklen Flecken darauf. Sein Gesicht sah so aus, als
    müsse er sich bei dem Anblick übergeben. Das machte mich
    wahnsinnig. Wieso konnten meine Würgemale nicht ein-
    fach so schnell und gründlich heilen wie seine Platzwunde
    auf der Stirn, von der nur noch ein blasser, rosa Fleck übrig
    war, der in ein paar Stunden vollkommen verschwunden sein
    würde. Es war einfach unfair. Nicht nur, dass ich damit fertig
    werden musste, dass ich beinahe von Istvan erwürgt worden
    wäre, sondern ich musste ebenfalls noch verwinden, dass er
    mich deswegen mied, und konnte nicht einmal die eindeu-
    tigen Beweise dafür verschwinden lassen. Nach einer Stun-
    de mit den schmelzenden, gefrorenen Erbsen um meinen
    Hals entschied ich, dass es an der Zeit war, endlich wieder zu
    sprechen, bevor er vielleicht noch mal anfing, seine Hände
    zu foltern oder gar Schlimmeres versuchte.
    Ich räusperte mich zwei- oder dreimal. Es tat schrecklich
    weh. Meine Kehle schien noch immer wie zugeschnürt. Ich
    versuchte es dennoch und kam gleich zur Sache.
    „Wieso hast du es mir nicht erzählt? Du weißt, was ich
    meine“, krächzte ich, meine Stimme ein heiserer Flüsterton.
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    „Ich konnte nicht. Nur Valentin weiß es. Ich habe ver-
    sucht, es zu vergessen. Ich konnte den Gedanken nicht er-
    tragen, dass du es jemals erfahren könntest.“ Seine Antwor-
    ten gab er dem Raum, nicht mir. Er schien gar nicht richtig
    beteiligt, als würde er Routinefragen in einer Arztpraxis be-
    antworten. Seine wahre Stimmung war unmöglich zu erken-
    nen in diesem ausdruckslosen, leeren Starren.
    „Wieso? Wieso hast du mir nicht vertraut? Wieso musste
    ich es ausgerechnet von ihm erfahren? Ich kann verstehen,
    wie es dazu kam. Ich kann dir vergeben, das kann ich dir
    versichern. Aber ich verstehe einfach nicht, wieso du mich
    anlügen musstest“, warf ich ihm vor. Jedes einzelne Wort
    brannte in meiner Kehle und mein Hals tat weh. Ich ver-
    suchte, es mir nicht anmerken zu lassen.
    „Ich schwöre dir, es hat nichts mit zu wenig Vertrauen zu
    tun. Ich hatte einfach Angst. Wie konnte ich von dir erwar-
    ten, dass du mir vergibst, wenn ich es selbst nicht kann? In
    dem Moment, in diesem schrecklichen Moment, als ich ver-
    stand, dass er tot war, dass ich ihn getötet hatte, starb alles in
    mir. Ich dachte, wenn ich wirklich bereue und mir alles ent-
    sage, dann könnte mir vergeben werden. Aber nicht einmal
    dazu war ich stark genug. Ich hatte nicht mal die Kraft, mich
    von dir fernzuhalten. Ich wusste genau, dass ich das mit uns
    nicht verdiene, und habe es trotzdem getan. Ich habe mir
    etwas genommen, was mir nicht zustand. Es war so unerträg-
    lich, dass du schon akzeptieren musstest, dass ich dieses
    Ding bin, aber dann noch ein M…“, seine Stimme brach bei
    dem letzten Wort weg und war nur noch ein Schluchzen.
    „Hör auf, das zu sagen. Du bist kein Mörder. Du kannst
    nichts dafür, was mit dir geschehen ist. Und du hast dir auch
    nichts genommen, was ich dir nicht freiwillig gegeben habe.
    Du hast dich sogar heftig dagegen gewehrt. Ich war es, die
    dich dazu gedrängt hat. Wenn du jemandem die Schuld ge-
    ben willst, dann gib sie mir, verdammt!“, knallte ich ihm jetzt
    vor den Latz. Ich hasste es, dass er über unsere Beziehung
    sprach, als wäre sie etwas Abstraktes und nichts Reales.
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    „Gott, Joe! Wie kannst du jetzt auch noch die Schuld auf
    dich nehmen. Nach allem, was heute geschehen ist. Nach
    allem, was ich dir heute angetan habe. Ich
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