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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber
Autoren: R Adelmann
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ich lange genug
    so getan, schlug die Augen auf und drehte mich auf seine
    Seite, wo Istvan noch immer in derselben Pose verharrte. Er
    machte den Eindruck einer erstarrten Statue.
    „Hast du überhaupt eine Minute geschlafen?“, fragte ich
    ihn sanft und wollte über seine Braue streifen, wie ich es
    manchmal am Morgen tat. Er schnellte aus dem Bett, bevor
    meine Finger seine Haut überhaupt berühren konnten. Sein
    Verhalten versetzte mir einen Stich. Ich versuchte, es nicht
    zu schwer zu nehmen, versuchte, sein Verhalten und seinen
    Schmerz zu verstehen. Es fiel mir nicht leicht und machte
    mich noch trauriger. Ich verschwand im Bad, weniger um
    mein Morgenritual durchzuführen und mich umzuziehen, als
    um ihm etwas Ruhe zu gönnen. Im kleinen Badspiegel sah ich
    die deutlichen Abdrücke an meinem Hals, die sich von einem
    dunklen Rot und Blau in ein schwärzliches Blau mit grünen
    und violetten Rändern verwandelt hatten. Ich fragte mich,
    wie ich diese Stellen verstecken sollte. Make-up schied aus,
    dafür war der Bereich zu groß. Ich würde hoch geschlossene
    Rollis und Tücher brauchen. Ich konnte ja meine Heiserkeit
    als Ausrede benutzen. Als meine Finger über die jetzt feuch-
    ten Stellen fuhren, konnte ich den pochenden Schmerz der
    Blutergüsse fühlen. Es fiel mir immer noch schwer zu glau-
    ben, dass ausgerechnet Istvan mir das angetan haben sollte.
    Ich war dabei gewesen, hatte in die irisierenden Augen seines
    Raubtieres geblickt und konnte es dennoch nicht glauben.
    Wenn er mich jetzt, mit diesen deutlichen Malen sehen wür-
    de, würde er ausrasten. Ich hatte aber keine Möglichkeit, sie
    zu verstecken, herunterzuspielen. Passende Utensilien waren
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    auch nicht bei der Hand. Ich würde durch diese Hölle ge-
    hen müssen, das war klar. Ich ging gerade aus dem Bad, da
    sah ich einen Schal auf der Couch im Bücherzimmer gegen-
    über, den ich vor ein paar Tagen hier vergessen hatte. Ich
    versuchte, so lautlos wie möglich in das andere Zimmer zu
    schleichen, streifte den Schal von der Lehne und huschte auf
    Zehenspitzen zurück in das Schlafzimmer. Über meiner blau-
    en Bluse schlug ich den violetten Paschminaschal mehrmals
    um meinen Hals und die Schultern, sodass beides fast ganz
    bedeckt war. Meine Haare band ich im Nacken zusammen,
    damit sie mir nicht den Schal herunterstreifen konnten. Ich
    war bereit, ihm gegenüberzutreten, doch ich wusste nicht,
    wo er war. Eigentlich müsste er die Bücherei aufsperren, aber
    ich hielt es für unmöglich, dass er an einem Tag wie heute
    tatsächlich bereit wäre, das zu tun. Ich täuschte mich nicht.
    Natürlich würde er mich nicht lange allein lassen. Nach ein
    paar Minuten hörte ich die Haustür und schreckte auf dem
    Bett hoch. Seine Schritte kamen in meine Richtung. Als er
    sich der Tür näherte, hätte ich ihn fast nicht erkannt. Seine
    Augen waren leer und tiefe, dunkle Schatten waren darunter
    zu sehen. Sein ganzes Gesicht schien die Fähigkeit verloren
    zu haben, etwas auszudrücken.
    „Ich musste nur kurz das Geschlossen-Schild an der Bib-
    liothek aufhängen“, erklärte er mir und sah dabei nicht mich,
    sondern die Dielen an. Als er den gesenkten Blick endlich
    hob, kam auch die menschliche Mimik in seine Gesichts-
    züge zurück. Aber der Ausdruck, der jetzt, bei meinem An-
    blick, auf seinem Gesicht zu lesen war, gefiel mir gar nicht.
    Er schien mir verflucht wütend über etwas zu sein, so wü-
    tend hatte ich ihn noch nie gesehen. Er stürmte auf mich zu
    und riss mich vom Bett hoch. Er berührte mich, ich fasste
    es kaum. Zuerst merkte ich gar nicht, dass es alles andere als
    sanft war, als er mich zornig schüttelte.
    „Was denkst du dir nur dabei? Kennst du denn keine
    Grenzen?“, schrie er mich erbost an. Ich verstand nicht, wo-
    rüber er sprach, worüber er so aufgebracht war.
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    „Wovon sprichst du? Was hab ich getan, Istvan?“, fragte
    ich kleinlaut. Meine Stimme hörte sich etwas besser an.
    Er packte mich am Oberarm und zog mich ins Wohnzim-
    mer. Dort schupste er mich vor den großen Spiegel mit dem
    dicken Goldrahmen am Ende des Raums. Er stellte mich
    direkt davor. Ich wusste noch immer nicht, worum es ging.
    Im Spiegel erkannte ich mich. Ich stand viel zu dicht davor
    und sah sein schnaubendes Gesicht hinter mir abgebildet,
    das noch immer verärgert aussah.
    „Wie kannst du nur so tun, als wäre das nichts? Hör auf,
    es mir leichter zu machen! Hör auf, mich zu schützen! Sieh
    dich an! “, befahl er mir
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