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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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Alter, sehr in die Breite gegangen. Er hatte schon immer
    reichlich getrunken und gegessen und mit jedem Jahr sah
    er mehr wie eine Werbefigur für bayrisches Bier aus. Der
    Schnurrbart war dabei auch keine Hilfe.
    Sie fragten mich nach meinen Eltern und ich erzählte von
    deren neuesten Reisezielen. Richard schilderte mit die wich-
    tigsten Neuigkeiten von der Schule, welche Lehrer gehei-
    ratet hatten, welche sich daneben benahmen. Er schwitzte
    deutlich. Hinter Richards Rücken bemerkte ich, dass Istvan
    hektisch mit den Armen fuchtelte, in einem Winkel ver-
    steckt. Er wollte offenbar, dass ich zu ihm kam. Was war aus
    der Geheimhaltung geworden?, dachte ich und entschuldig-
    te mich kurz bei Richard und Emilie, die sich setzten. Ich
    ging, ohne Eile erkennen zu lassen, zu Istvan, lehnte mich
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    an die Wand neben ihn und tat, als würde ich die Vorberei-
    tungen bestaunen.
    „Was ist? Wieso winkst du mich vor allen her?“, fragte
    ich.
    „Der Mann, mit dem du gerade gesprochen hast, wer ist
    das?“ Seine Stimme klang aufgebracht, sichtlich angespannt.
    Wir redeten geradeaus, als führten wir Selbstgespräche.
    „Ein alter Freund der Familie, wieso?“
    „Sein Herzschlag ist unregelmäßig. Da stimmt was nicht.
    Es könnte was Ernstes sein, du musst ihn irgendwie dazu
    kriegen, das abchecken zu lassen!“, forderte er von mir.
    „Wie soll ich das anstellen? Ich kann nicht einfach zu ihm
    gehen und sagen: Hey, mein Freund sagt, dein Herz klingt
    schlecht, mach besser ein Belastungs-EKG!“
    „Es könnte lebensgefährlich sein. In seinem Alter!“, sagte
    er und hätte mich dabei fast angesehen, konnte sich in letz-
    ter Sekunde aber zusammennehmen.
    „Oh Gott. Wie soll ich Richard das nur klar machen? Wie
    kriege ich in nur dazu?“, stöhnte ich und schlug mit meinem
    Kopf gegen die Wand.
    „Du musst es versuchen, Joe“, ermahnte Istvan mich. Ich
    nickte und ging zurück zu meinem Platz.
    Sobald ich mich gesetzt hatte, drehte ich mich zu Richard
    und Emilie um.
    „Emilie, mein Vater hat mir beim letzten Telefonat er-
    zählt, dass er sich Sorgen um Richard macht. Er denkt, du
    hast letztens nicht so gut ausgesehen, und er macht sich Ge-
    danken. Er hatte doch selbst vor der Abreise all diese Unter-
    suchungen. Er ist deshalb etwas sensibler geworden.“
    „Ja, Joe. Genau das sag ich Richard immer. Vorsorge ist
    besser, als nachher die Scherereien zu haben. Aber krieg ihn
    mal zum Arzt.“
    „Richard, mal ehrlich. Willst du, dass ich meinem Va-
    ter beim nächsten Telefonat erzählen muss, dass du nicht
    gut auf dich aufpasst? Wir haben erst neulich im Lokalblatt
    wieder darauf aufmerksam gemacht, dass man ab einem ge-
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    wissen Alter jedes Jahr ein Belastungs-EKG usw. machen
    sollte. Bitte sage mir, dass du dich durchchecken lässt, dann
    kann ich meinen alten, paranoiden Vater endlich beruhigen.
    Was sagst du dazu?“, fragte ich mit gekünstelt vorwurfsvoller
    Miene.
    „Na gut, Mädchen. Du kriegst deinen Willen. Gott, ihr
    Pauls gebt sowieso keine Ruhe, ehe ihr nicht bekommen
    habt, was ihr wollt“, stöhnte er genervt. Seine Frau bekam
    einen zufriedenen Gesichtsausdruck und hauchte ein „Dan-
    ke“ in meine Richtung. Auch auf Istvans Gesicht konnte ich
    Erleichterung sehen. Er lächelte zufriedengestellt.
    Kurz bevor die Kinder mit den Singstücken anfingen, ka-
    men Viktor und Paula herein. Beide in aufgemotzter Montur,
    was mich im Falle meines Bruders schmunzeln ließ. Sie fan-
    den mich gleich und setzten sich auf die reservierten Plät-
    ze. Ich hatte mir den Außenplatz genommen, um so leichter
    fotografieren zu können. Die Kinder sangen zwei Kirchenlie-
    der, mehr schlecht als recht. Die Eltern strahlten dennoch.
    Mein Bruder presste mehrmals die Augen zusammen, so sehr
    schmerzten ihn die falschen Töne der Kleinen, und Paula
    forderte immer wieder von ihm, sich zusammenzureißen,
    was ihm nicht gelang. Nach einer Viertelstunde war die Fol-
    ter unserer Gehörgänge beendet und vier Burschen bauten
    die Bühne für die eigentliche Martini-Aufführung um. Alles
    klappte. Der heilige Martin trat auf, traf seine Zeilen, nahm
    sein Plastikschwert und teilte damit seinen Mantel, gab die
    Hälfte dem armen Bettler. Alles lief wie am Schnürchen und
    am Ende bekamen die Kleinen einen tobenden Applaus.
    Wie es bei uns zu Martini Brauch ist, hatten die Kinder
    Lampions gebastelt und gingen mit diesen selbst gemachten
    Laternen durch die finsteren Straßen und sangen dabei das
    „Ich

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