Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
Vom Netzwerk:
leicht tief, wie ich es an Frauen sehr attraktiv finde.
    Es war auch das allererste Mal, dass ich sie berührte, als
    Frau und nicht als …“
    An dieser Stelle hatte er abgebrochen. Wieso schrieb er
    diesen Satz nicht zu Ende? Wann hätte er mich schon ein-
    mal vor diesem Tag berührt und wieso war es das erste Mal
    als Frau? Ich war komplett verwirrt. Wann waren wir uns tat-
    sächlich erstmals begegnet? Ich suchte nach weiteren Hin-
    weisen.
    „Später dann an diesem Abend dachte ich über ihr Ge-
    sicht nach und die Attribute ihrer Weiblichkeit, die ich an
    keiner anderen Frau derart faszinierend gefunden hätte.
    Es war mir in jener Nacht, der Nacht des ersten Wieder-
    sehens nicht gleich aufgefallen. Erst heute, bei Tageslicht,
    konnte ich die Farben ihres Wesens und ihrer Weiblichkeit
    in Muße betrachten. Alles an ihr erinnerte mich an einen
    Pfirsich, abgesehen von den blauen Augen. Besonders die
    helle, zarte Haut mit dem leichten Pfirsich-Ton und die
    rosigen Wangen verstärkten meinen Eindruck. Sogar der
    181

    korallenfarbene Mund, den man hinter den geschminkten
    Lippen durchschimmern sah, trat in dem Pfirsichspektrum
    ihres Wesens hinzu. Am beeindruckendsten fand ich aber
    ihr Haar, das jeder andere Mann wohl als goldblond oder
    mittelblond beschreiben würde und damit nur die Oberflä-
    che betrachtete. Nein, ihr langes, mähnenhaftes Haar war
    zwar goldblond, doch in einem bestimmten Licht enthüllte
    es sein Geheimnis. Vom Licht beschienen, zeigte sich ein
    Rosé-Gold-Ton, der sehr selten ist und den ich noch nie
    an einer Frau wahrgenommen hatte. Es erinnerte mich an
    Schmuck aus Rosé-Gold, der mit anderen Goldschattierun-
    gen vermischt worden war. In der deutschen Sprache gibt
    es dafür keine entsprechende Bezeichnung. Das englische
    „Strawberrry Blond“ kommt dem annähernd nahe. Es meint
    damit Blondinen, die einen Rotstich aufwiesen. Der Gedan-
    ke gefiel mir sehr, dass außer mir vermutlich noch nie ein
    Mann das an ihr bemerkt hatte.“
    Während ich seine Beschreibung von mir las, hatte ich
    unbewusst angefangen, mit einer Haarsträhne zu spielen.
    Ich konnte es kaum glauben. In seinen Augen war ich tat-
    sächlich schön und interessant. Doch wann war diese Nacht
    des ersten Wiedersehens? War er mir als Wolf bereits zuvor
    begegnet, konnte das sein? Ich blätterte zurück, weg von sei-
    ner umfassenden Beschreibung von mir. Doch wo würde ich
    es finden? Ich suchte nach seiner Rückkehr nach St. Hodas.
    Nach ein paar Fehlversuchen fand ich den passenden Ein-
    trag. Mit seiner, mir nun bereits bestens vertraut geworde-
    nen Handschrift erzählte er von seiner Ankunft.
    „Es war merkwürdig, wieder zu Hause zu sein, nach all
    der langen Zeit. Ich konnte nur hoffen, dass dieser Versuch
    nach Hause zurückzukehren, glimpflicher verlief als der letz-
    te. Die Umzugsfirma hatte Lieferschwierigkeiten und so kam
    es, dass meine Ankunft und der Beginn des Vollmondzyklus
    nur einen Tag auseinanderlagen. Schlechtes Timing. Ich hat-
    te gerade genug Zeit, um alle Kisten zu verstauen und das
    Bett aufzustellen, bevor meine übliche Pein sich ankündigte.
    182

    Zum Glück war ich eine Woche zuvor, zur Besichtigung mei-
    nes neuen ‚Reviers‘, bereits dazu gekommen, die Lagerplätze
    einzurichten, die ich ja schon gut kannte. Ich beschloss in
    der ersten Nacht, nicht zu weit vom Südlagerplatz entfernt
    zu streunen, und drehte Runden um das ganze Dorf und die
    Südhänge des Günser Gebirges. Die Nacht war sehr ruhig
    und friedlich. In meiner Wolfsform war ich diesem Leben
    nicht ganz so abgeneigt, wie ich es vehement als Mensch
    war. Als Wolf kann man nicht umhin, die grenzenlose Frei-
    heit zu bemerken, die einen anzieht wie das Mondlicht
    selbst. Und lässt man seinen Instinkten auch nur kurz freien
    Lauf, erkennt man sofort, dass man zum Rennen durch den
    Wald geschaffen wurde, dass es die eigentliche Natur dieses
    Wesens ist, zu dem ich seit über 75 Jahren werde. An jenem
    Abend und in jener Nacht kämpfte ich nicht wie sonst ver-
    bissen gegen meine Natur an und das machte mich etwas
    waghalsig. Ich begann mich sogar nahe dem Waldrand auf-
    zuhalten. Es war kurz vor Mitternacht und in keinem der
    Häuser schien noch Licht, außer in dem etwas abgelegenen
    Haus am Nordostrand des Dorfes. In diesem Haus brannte
    noch Licht. Ein paar Kerzen und kleine Lampen strahlten in
    die dunkle Nacht. Ich näherte mich dem Haus, das so ge-
    legen war, dass zwei Seiten dem Wald zugewandt waren

Weitere Kostenlose Bücher