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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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und
    von der Straße und den entfernten anderen Häusern nicht
    eingesehen werden konnten. Die Hausseite zur Straße hin
    war komplett verdunkelt, nur auf meiner Seite, der Hinter-
    seite zum Wald, gab es Licht. Es kam von einem Wintergar-
    ten, eigentlich eine Glasfront, welche die nördliche Wand
    ersetzte. Zwischen den vielen grünen Pflanzen, die die Sicht
    nach innen erschwerten, konnte ich nun den Kerzenstän-
    der und die beiden Standleuchter sehen, die den Lichtkegel
    verursachten. Ich konnte nicht sagen, wieso, aber ich roll-
    te mich in das hohe Gras vor dem Haus und beobachtete
    den Wintergarten weiter. Ich hörte, wie jemand im Haus hin
    und her ging, konnte aber keinen Herzschlag wahrnehmen,
    denn dieser Jemand spielte laute Musik und übertönte damit
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    seine eigene Erkennungsmelodie. Noch sah ich niemanden.
    Da waren nur diese schöne Gitarrenmelodie und die sanf-
    te Männerstimme, die von einem Chor ab und an verstärkt
    wurde. Die Lieder erinnerten an eine Mischung aus Folk
    und klassischen Elementen mit einem modernen Touch. Ich
    versuchte gerade in Gedanken, die anderen Instrumente, die
    von den Musikern benutzt wurden, aufzuzählen, da sah ich
    plötzlich eine Frau im Wintergarten erscheinen. Sie war groß
    gewachsen, kurvig an den richtigen Stellen und schlank. Die
    junge Frau trug nur einen schwarzen BH und einen schwar-
    zen Slip. Sie war barfuß und schien mit ihren langen Beinen
    eher über den Boden zu tänzeln als zu gehen. Ihre Haare
    waren mit einer Klammer hochgesteckt und sie hatte einen
    friedlichen, träumerischen Blick, der mich an Frauenbild-
    nisse der Renaissance erinnerte. Ihre Gesichtszüge hatten
    ohnehin etwas Klassisches. Ihre Haare schienen hell zu sein,
    genau konnte ich es bei diesem diffusen Licht nicht sagen.
    Ihre Arme waren schlank und zart. Sie bewegte sich sehr
    anmutig durch den Raum, während sie immer wieder CDs
    ansah, die sie neben die Stereoanlage legte. Sie spulte den
    Song, der gerade lief, zum Anfang zurück und löste die Klam-
    mer aus ihrem Haar. Eine wilde Mähne aus leicht gelockten
    Haaren fiel ihr jetzt über die Schultern und bedeckte den
    Ansatz ihres schwarzen BHs. Sie stellte sich in die Mitte des
    Wintergartens und schien darauf zu warten, dass die Ein-
    leitung des Liedes zu Ende ging und die eigentliche Melodie
    begann. Ich starrte gebannt auf sie. Als der Gesang einsetzte,
    streckte sie geschmeidig ihre Arme vom Körper und begann,
    sich zur Musik zu bewegen. Anfangs dachte ich, dass es sich
    um eine Art Tanz handeln würde, doch wie sie sich bewegte,
    das war etwas ganz anderes, ganz Eigenes. Ihr ganzer Kör-
    per formte die Bewegungen der Musik nach, als könne sie
    die Töne und Klangfarben in körperliche Bewegungsabläufe
    übersetzen, wie ich es mit Sprachen tat. Die Tanzbewegun-
    gen ihrer Glieder vermischten sich mit Bewegungsabläufen,
    die eher an Taekwondo oder Qui-Gong-Positionen erinner-
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    ten. Ihre Arme formten die Form einer Kugel nach, wobei
    ihre Hände sich dabei abwechselnd drehten und ihre Füße
    dazu einen passenden Schritt taten, und waren es definitiv
    nicht die Schritte einer Tänzerin, so waren sie dennoch im-
    mer synchron zur Musik ausgeführt. Ihr Kopf drehte sich
    tief in den Nacken, ihre Haarspitzen berührten das Ende
    ihres Rückens. Ihre Hände fielen dabei anmutig zur Seite.
    Der Harmonie-Gesang schien ihre Blöße völlig zu umgeben.
    Durch den Kerzenschein strahlte ihre Haut geradezu und ich
    war mir sicher, dass sie das Schönste war, was ich in meinem
    langen Leben je gesehen hatte. Auf ihrem Gesicht spiegelte
    sich die Stimmung eines jeden Stückes wider. Einmal traurig
    und in sich gekehrt. Dann wieder offen und verträumt. Ich
    schaute ihr eine volle Stunde lang hypnotisiert zu. Ich hätte
    ewig so weiter machen können. Doch als die Musik zu Ende
    ging und die CD abgespielt war, trat sie aus ihrer Position
    und atmete nun deutlich schwer. Jetzt endlich hörte ich ihre
    eigene Melodie, den leicht beschleunigten Herzrhythmus.
    Das Erstaunliche war, ich kannte diesen Herzschlag bereits,
    auch wenn ich nicht mehr wusste, woher. Sie pustete nun
    die Kerzen aus, löschte das Licht und ging die Treppe hoch.
    Im Haus konnte man nun nichts mehr sehen, nur ihr pul-
    sierender Herzrhythmus war weiterhin zu hören, den ich
    auswendig hätte nachsummen können. Ich kam aber nicht
    darauf, wann ich ihn zuletzt gehört hatte. Diese schöne Un-
    bekannte kam mir nicht im Mindesten bekannt vor. Ich war
    mir

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