Wolfsfieber
zu fragen.
„Istvan, soll ich nicht lieber nach Hause gehen, jetzt, da
Serafina da ist?“
„Nein, wieso? Magst du sie nicht?“, fragte er und ich
konnte ihm sofort ansehen, dass er fürchtete, meine Antwort
könnte Ja sein.
„Nein, das ist es nicht. Ich möchte nur nicht stören. Viel-
leicht fühlt sie sich mit mir unwohl oder so“, beruhigte ich
ihn.
„Das soll wohl ein Witz sein. Hast du nicht bemerkt, wie
sie sich gefreut hat, dich kennenzulernen?“, fragte er etwas
irritiert.
„Ich dachte, sie wollte nur höflich sein. Wieso soll sie sich
eigentlich so darüber freuen?“, fragte ich, noch immer un-
sicher über ihre Absichten.
„Sie freut sich meinetwegen. Das hat sie mir gesagt, kurz
bevor du gekommen bist.“
„Oh“, stöhnte ich und schämte mich nun für meine Re-
serviertheit Serafina gegenüber.
„Wieso hast du eigentlich nie erwähnt, dass Serafina eine
umwerfende Schönheit ist?“, fragte ich provokativ.
„Ist sie das? Ich sehe sie einfach nicht so. Für mich ist sie
eine Freundin, fast wie eine Halbschwester“, versuchte er
meine Bedenken zu zerstreuen und fügte, nun sehr amüsiert,
hinzu:
„Eifersucht steht dir übrigens sehr gut“, sagte er grinsend
und tippte mir auf die Nase. Ich kam mir jetzt verflucht lä-
cherlich vor, denn ich war eifersüchtig gewesen.
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Wir gingen zurück zu Serafina und Istvan gab ihr die
Sachen zum Schlafen. Sie schien bester Dinge zu sein und
lächelte vor sich hin. Zuerst verstand ich nicht, doch dann
sah ich, dass sie über uns lachte. Natürlich, daran muss-
te ich mich erst gewöhnen, sie hatte alles deutlich gehört.
Es war schon eine ganz eigene Sache, mit zwei Wesen das
Haus zu teilen, die beide ein Supergehör besaßen. So etwas
wie Gespräche unter sich waren dabei unmöglich. Deshalb
schlief ich in dieser Nacht auf einer Seite des Bettes und
verbannte Istvan auf die andere. Ich wollte Serafina nicht
noch mehr Grund zum Schmunzeln liefern. Es war zu pein-
lich.
Mitten in der Nacht wurde ich wach und wollte mir
etwas zu trinken aus der Küche holen. Ich sah, dass Licht
brannte. Serafina saß am Küchentisch und stillte offenbar
dasselbe Bedürfnis, das mich dorthin geführt hatte. Es war
sogar schon ein Glas für mich eingeschenkt. Anscheinend
hatte sie auch gehört, wie ich zu Istvan „Ich hol mir etwas zu
trinken“ sagte. Das war so unheimlich.
Dennoch setzte ich mich und nahm ein paar Schlucke
von dem kalten Wasser. Sogar jetzt, mitten in der Nacht, in
ihrem dünnen, weißen Hemd, war sie makellos schön. Jede
Frau, die Serafina gegenübersitzen musste, spürte sofort die
eigenen Unsicherheiten aufkeimen. Ich versuchte, diese Ge-
danken zu verdrängen.
„Er kann uns jetzt nicht hören, solange er schläft“, sagte
sie in einem verschwörerischen Ton.
„Wieso, was hast du mir zu sagen, das Istvan nicht hören
soll?“, fragte ich besorgt.
„Ach nur ein paar Sachen von Frau zu Frau. Erstens,
ganz ehrlich, ich freue mich sehr für euch, besonders für
ihn. Ich weiß, wie es ist, immer allein sein zu müssen, trotz
meiner Familie. Istvan und ich waren uns darin immer ähn-
lich. Aber bei ihm hat sich das jetzt ja geändert. Ich woll-
te dich nur unter vier Augen nochmals fragen, ob du auch
weißt, worauf du dich da einlässt. Weißt du eigentlich, wie
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gefährlich das hier werden kann? Ganz zu schweigen von
den anderen Schwierigkeiten. Kennst du die Geschichte
meiner Eltern eigentlich?“, fragte sie und auf ihrem Gesicht
konnte man die aufrichtige Sorge sehen, die ihre schönen
Züge verzerrte.
„Istvan war ganz offen zu mir. Er hat versucht, sich von
mir fernzuhalten. Er wollte mich sogar wegstoßen. Ich ma-
che mir keine Illusionen. Es ist gefährlich, auch wenn ich die
Gefahren bisher nur erahnen kann. Aber ich will ihn. Ich will
ihn wirklich. Kannst du das verstehen?“, fragte ich sie und
sprach plötzlich mit ihr in einer freundschaftlichen Weise.
„Ja, ich kann dich verstehen. Er ist ein guter Mann. Er
hat mir auch erzählt, dass du das Mädchen bist, das er da-
mals gerettet hat. Unglaublich, wie das Leben manchmal so
spielt“, merkte sie mit einem Kopfschütteln an.
„Ihr scheint keine Geheimnisse voreinander zu haben“,
sagte ich in einem etwas gekränkten Ton.
„Nicht viele. Aber keine Sorge, er würde mir nie etwas
Intimes erzählen.“
Ihre doppeldeutige Anspielung war mir etwas peinlich.
Ich ging nicht darauf ein, wir kannten uns
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