Wolfsfieber
dabei
kein besonders gutes Gefühl. Andererseits hatten wir ver-
abredet, nur in den Neumondnächten die Vorteile unserer
körperlichen Liebe zu genießen, um ganz sicher zu gehen,
sowohl was ein mögliches Fieber betraf als auch die Anste-
ckungsgefahr in einer nahenden Vollmondnacht. Unnötig zu
erwähnen, wer hinter dieser Idee steckte. Ich selbst wäre
deutlich risikofreudiger gewesen, hielt mich jedoch an Ist-
vans Auflagen. Die Woche, in der er weg war, nutzte ich, um
intensiver an meinen Berufen zu feilen und um den längst
überfälligen Abend mit Carla nachzuholen, den ich immer
wieder aufgeschoben hatte.
Wir trafen uns zum Kaffee in der Warter Bäckerei mit
diesem zu niedlichen Namen, an den ich mich auch nach
fünf Jahren nicht gewöhnen konnte. „Die Naschkatze“ war
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als Bezeichnung für ein Lokal einfach zu lächerlich. Zum
Glück spiegelte sich der Name nicht in der Einrichtung wi-
der, die eher einem klassischen Wiener Kaffeehaus nach-
empfunden war, dunkles Holz, schwere Sessel und gemüt-
liche Sitzgruppen.
Carla hatte schon nach fünf Minuten bemerkt, dass ich
nicht mehr dieselbe war. Meine Augen strahlten zu sehr.
Meine Stimme klang viel zu überschwänglich, als dass ich es
hätte verbergen können.
Ihre Mandelaugen fixierten mich nun prüfend.
„Also ich möchte echt wissen, was mit dir in letzter Zeit
los ist? Du siehst aus, als könntest du schweben“, bemerkte
sie und nahm einen Schluck ihres Espressos.
„Ich bin einfach nur gut drauf. Keine Ahnung, wo das
plötzlich herkommt“, log ich wieder mal mittelmäßig über-
zeugend.
„Ich weiß ja nicht. Du erinnerst mich an mich im ersten
Jahr mit Christian. Da konnte ich mir auch die ganze Zeit
das Grinsen nicht verkneifen. Bist du etwa? Nein, das hät-
test du mir doch erzählt.“
„Nein. Das ist es bestimmt nicht. Wie sollte ich in St. Ho-
das jemanden kennenlernen, geschweige denn mehr?“, log
ich noch dreister und schüttelte dabei ungläubig den Kopf,
als wäre ihre Annahme absolut lächerlich.
„Na, wie du meinst. Aber irgendwas ist anders an dir, da-
von lass ich mich nicht abbringen. Ich bin doch nicht blind“,
stellte sie nochmals fest und ich hörte einen misstrauischen
Unterton in ihrer Stimme, der mich wieder daran erinnerte,
zu verhindern, dass Carla mich jemals zusammen mit Istvan
sah.
Zwei Tage später kam Istvan endlich von seiner Reise zurück.
Ich sah den auffälligen Camaro sofort vor der Bibliothek
stehen. Er hatte sich noch immer kein Handy besorgt, also
konnte ich ihn nicht einfach erreichen. Das hasste ich. Aber
ich konnte es schon verstehen. Wo er sich oft aufhielt, in
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den Wäldern des Günser Gebirges, war der Empfang mehr
als bescheiden. An manchen Stellen gab es sogar großflächi-
gen Funkausfall. Von daher war es sinnlos, ein Handy mit-
zunehmen. In bestimmten Nächten konnte er ja nicht mal
Kleidung bei sich behalten und schon gar kein teures Elekt-
ronikgerät, das er jeden Monat ersetzen müsste.
Ich lief sofort die kleine Anhöhe zur Bibliothek rauf und
wollte ihm stürmisch in die Arme laufen. Da bemerkte ich,
dass es tatsächlich zwei Besucher in der Bibliothek gab.
Ein junges Mädchen, das ich etwa auf siebzehn schätz-
te, saß auf einem der Schreibtische und quälte sich offenbar
durch mehrere Lexika, um etwas für die Schule zu schreiben.
Sie schien überall lieber sein zu wollen als hier. Der andere
Besucher war ein alter Mann, den ich gleich erkannte. Es war
der Vater des Bürgermeisters, Karl Taucher. Istvan hatte mir
erzählt, dass der alte Taucher gerne las und sich ab und an
Bücher ausborgte. Er gehörte noch zu jenen, die Ungarisch
sprachen, und er versuchte, seine Kenntnisse mithilfe des
Unga rischen Büchersaals aufzufrischen. Er wäre alt genug,
um Istvan noch erkennen zu können, der Einzige, der das
noch könnte, doch er hatte schlimmen grauen Star, was eine
mögliche Enthüllung verhinderte. Als Istvan mich sah und mir
einen kurzen Wink gab, der mir andeutete, dass wir nicht unter
uns wären, wandte er sich in Richtung der kleinen Kammer
um, in der die Putzsachen aufbewahrt wurden. Er ging hinein,
ohne gesehen zu werden. Nach einer Minute folgte ich ihm
vorsichtig. Sofort als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte,
drehte er mich um und wir umarmten uns stürmisch. Darauf
folgte ein noch stürmischerer Begrüßungskuss.
„Es ist auch schön, Sie wiederzusehen, Mister“, scherzte
ich und
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