Wolfsfieber
forderten.
Ich hatte eigentlich erwartet, dass Istvan sich zurückhalten
würde, doch als er endlich losgelassen hatte, gab es kaum
noch Halt und ich fiel ins Bodenlose, zusammen mit ihm.
Istvan liebte mich in genau derselben Mischung aus hart
und zart, die sein gesamtes Wesen ausmachte. Leidenschaft-
liche Küsse wurden abgelöst von zarten Berührungen mei-
ner Haarspitzen. Gieriges, unbezähmbares Eindringen in die
verschlungenen Höhlen meiner Welt wurden begleitet von
zarten Liebkosungen. Das Einzige, was mich vor dem Ab-
sturz bewahrte, waren die innigen Blicke seiner grünen Au-
gen und der feste Griff meiner Hand, die sich mit der seinen
verschränkte.
Erschöpft lagen wir, noch immer schwer atmend, auf dem
Bett. Was für einen merkwürdigen Anblick mussten wir bie-
ten. Ich, schweißgebadet mit wilden Haaren, mit feuchten
Schläfen und bebender, keuchender Brust, versuchte, meine
Blöße nur mit einem dünnen Laken zu umfangen. Istvan,
nach alledem staubtrocken, ebenso außer Atem, die Mus-
keln seines athletischen Körpers noch immer angespannt
von der Anstrengung, die hinter ihm lag. Jetzt, Seite an Seite
mit ihm liegend, wurde ich mir zum ersten Mal seiner atem-
beraubend schönen Arme bewusst. Ich liebte von Anfang an
seine Hände, hatte dabei aber nie bemerkt, welche wunder-
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voll gestalteten Arme ihm eigen waren, stark und drahtig, mit
weicher Haut und einem leichten, zarten Flaum bedeckt.
Die Oberarme eines Schwimmers fielen mir dabei ein. Ich
konnte es kaum erwarten, wieder in seinen Armen zu liegen.
Er schien meine Gedanken zu lesen und zog mich im selben
Moment zu sich an seine Brust und legte seine Arme um
mich.
„Also eines steht fest. Seit heute bin ich definitiv ein Fan
von Neumondnächten“, gestand ich ihm lächelnd. Worauf-
hin auch er grinsen musste. Dieses unwiderstehliche, schie-
fe Grinsen!
Ich war so glücklich, so unbeschreiblich froh, dass ich es
getan hatte. Dass ich den Mut gefunden hatte, zusammen
mit ihm, durchs Feuer zu gehen. Welche Flammen könn-
ten mir jetzt noch gefährlich werden? Was könnte mir dieses
Glück noch nehmen?
Ich blieb nicht nur die ganze Nacht bei Istvan, sondern ver-
brachte auch die nächste Nacht mit ihm. Wobei wir in der
folgenden Nacht derart gefangen in unseren Küssen waren,
dass wir beinahe vergessen hatten, dass noch etwas anderes,
Tieferes auf uns wartete, von dem wir kosten konnten. Als
ich in jener zweiten Nacht in die Dusche stieg, weil ich die
Hitze danach fast nicht mehr aushielt, kam mir das heiße
Duschwasser fast kühl vor im Vergleich mit Istvans Haut auf
mir. Das Wasser brannte förmlich auf meinem überhitzten
Körper. Ich musste schmunzeln. Es fiel mir ständig dieser
eine Song von Kings of Leon ein, wenn ich daran dachte:
„Sex on Fire.“ Ob der Songschreiber wohl auch eine Nacht
mit einer Werwölfin beschrieb, denn ich konnte mir nicht
vorstellen, dass dieses Sex-auf-Feuer-Gefühl zwischen zwei
normalen Menschen möglich wäre.
Den darauffolgenden Tag musste ich arbeiten und da-
nach den Rückstand meiner CD-Kritiken aufholen, also
konnte ich nicht zu Istvan. Die lange Abwesenheit von ihm
konnte ich sogar körperlich fühlen. Als ob etwas an mir oder
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in mir fehlte. Das war ein merkwürdiges Gefühl, an das ich
mich erst gewöhnen musste. Schließlich war ich mein gan-
zes Leben lang unabhängig gewesen und nicht gewohnt,
Sehnsucht nach jemandem zu empfinden. Ich fragte mich,
ob mein ehemals einsamer Wolf das ähnlich empfand?
Ausgerechnet jetzt musste Istvan eine Woche verreisen. Er
hatte eine Nachricht von seinem Wertpapierhändler aus
Ungarn erhalten. Eines seiner Langzeitdepots lief aus und er
musste es persönlich auflösen. Es war nämlich so, dass Istvan
eine weitere Einnahmequelle gefunden hatte, die ihm sein
außergewöhnlich langsamer Alterungsprozess ermöglichte.
Er eröffnete in mehreren Ländern langfristige Anlagen und
setzte seinen eigenen Sohn oder Neffen als Begünstigten
ein. Zehn oder zwanzig Jahre später holte er, sich als eigener
Sohn oder Neffe ausgebend, das angesammelte Vermögen
ab. Er erzählte mir einmal sehr amüsiert, dass manche von
den Maklern ihn auf die frappierende Ähnlichkeit mit dem
Vater oder Onkel ansprachen. Das fand er zu komisch. Er
plante auch, ein paar Bücher auf einer Auktion zu erstehen.
Es würde nur ein paar Tage dauern und dennoch wollte ich
nicht, dass er ausgerechnet jetzt wegging. Ich hatte
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