Wolfsglut - Handeland, L: Wolfsglut
Blick des Mannes schoss in meine Richtung. Mich konnte er also hören.
Tief geduckt versteckte ich mich hinter der Stoßstange. Die Schatten drängten sich näher; das Knurren wurde zu einem wütenden Fauchen. Mir blieb keine andere Wahl.
Auch wenn die Geisterwölfe mir vielleicht nichts anhaben konnten, musste das nicht unbedingt für den Mann gelten. Ich durfte nicht zulassen, dass ein hilfloser Zivilist von Gott weiß was gebissen oder getötet wurde.
Ich brach aus meiner Deckung hervor und rannte auf den erstbesten Schemen zu. Ich wappnete mich gegen die beunruhigende, kalte Empfindung, aber als ich durch den Schatten hindurchstürmte, verlor ich das Gleichgewicht und landete im Gras, wo ich wütend knurrend nach einem halben Dutzend anderer schnappte.
Ich kam wieder auf die Füße, drehte mich um die eigene Achse, sah nichts und fühlte noch weniger. Waren sie weg?
Keuchendliefichaufundab.ZuvielEnergie,zuvielAdrenalin.Ichmusstegegenetwaskämpfen.Estöten,undzwarjetztgleich.
Ich witterte einen schwachen Geruch und folgte ihm zu den Bäumen. Ich tauchte ein und spürte sie überall um mich herum. Ich fletschte die Zähne.
Kommt schon! , wollte ich rufen. Ich kann euch besiegen. Ich besiege euch alle .
Das Blattwerk erzitterte. Der seltsame Geruch wurde schwächer. Sie waren geflohen, weil sie Angst hatten, und ich liebte dieses Gefühl.
In Hochstimmung schüttelte ich mein Fell, als wäre ich gerade aus einem eisigen Fluss gestiegen. Unfähig, mich zu beherrschen, hob ich die Schnauze gen Himmel und heulte.
Als mein Jubelschrei verklang, wisperte der Wind mir etwas zu, und dieses Mal verstand ich die Worte.
Lasse die Macht zu. Umarme, was du bist, und lüfte das Geheimnis, das du zu entdecken begehrst .
Ich sann über die Botschaft nach, während der Strom meines Blutes und das Rasen meines Herzens langsamer wurden. Die Luft wirkte mit einem Mal kühler, der Mond heller, die Bäume höher, das Gras weicher und duftender.
Mir schwirrte der Kopf von all der Pracht, den Mysterien, der Energie, was dazu führte, dass ich den Wachmann vergaß, bis das schmatzende Geräusch eines Schuhs auf nasser Erde ihn mir wieder in Erinnerung rief. Doch da war es schon zu spät.
Er schoss auf mich.
24
Sein Gewehr war mit Bleikugeln geladen. Trotzdem tat es weh, angeschossen zu werden. Sehr, sehr weh.
Außerdem schoss er mir in den Hintern. Wie demütigend.
Ich wollte schreien, fluchen, weinen. Stattdessen lief ich weg.
Im ersten Moment konnte ich an nichts anderes denken als daran zu fliehen, deshalb rannte ich einfach los. Doch sobald mein Fleisc h – noch mit der Kugel dari n – zu heilen begann, kehrte ich zum Blockhaus zurück.
Als ich mich von der Rückseite her näherte, schnüffelte ich in der Luft, doch roch ich nichts als den Wald, hörte nichts als den Wind. Ich sprang auf die hintere Veranda, stellte mir dabei vor, ein Mensch zu sein, und schon war ich einer.
Der Talisman war in der Tasche von Jessies Jeans auf dem Schrottplatz zurückgeblieben. Auch wenn ich das Amulett allem Anschein nach nicht mehr brauchte, wollte ich es trotzdem zurückhaben. Und ich würde es holen, sobald ich diese scheußliche Kugel aus meinem Hinterteil entfernt hätte.
Ich könnte mich an dieses blitzschnelle Vor- und Zurückverwandeln gewöhnen. Das Ausbleiben von Schmerz und Entsetzen war definitiv ein Plus.
Mithilfe meines nun wieder opponierbaren Daumens drehte ich den Türknauf, schlüpfte ins Haus und dann unverzüglich ins Badezimmer. Das grelle elektrische Licht ließ mich schon zusammenzucken, noch bevor ich mich im Spiegel sah.
Mein Gesicht war mit Erde verschmiert; mein Haar war voller Blätter und Zweige; flammendrote Kratzer bedeckten meine Arme. Ich verdrehte mich ungelenk, um meine Wunde in Augenschein zu nehmen, aber es gelang mir nicht.
Die Kugel schien mich von innen heraus zu verätzen. Was mich nicht umbrachte, konnte mich immer noch um den Verstand bringen. Ich würde um Hilfe bitten müssen, was mir zutiefst widerstrebte.
Ich öffnete die Badezimmertür und stieß einen Schrei aus. Nic stand da. Ein Blick in mein Gesicht genügte, und er drängte sich fluchend an mir vorbei.
Ich riss ein Handtuch vom Halter und hielt es vor meine Brüste. Absurd . Er hatte längst alles gesehen und berührt.
„Was zur Hölle ist passiert?“
Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.
„Ich bin aufgewacht, und du warst weg. Keine Nachricht. Nichts.“
Nic fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, sodass es
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