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Wolfsherzen - Eine Liebe in Alaska

Wolfsherzen - Eine Liebe in Alaska

Titel: Wolfsherzen - Eine Liebe in Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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beiden Seiten ruhig. Am Hals angekommen, hört er auf.
    „Hatten sie da jemand Bestimmtes im Auge?“ Lucy lässt los.
    „Ja.“
    Raven, folgert sie und sieht ihm dabei zu, wie er die Axt gegen den Baum lehnt, um dann das kurze Messer aus dem Stamm zu ziehen. Sie wischt sich grübelnd ihre Hände im Schnee sauber. „Du hattest es bestimmt nicht leicht bei ihnen, oder?“
    „Es war alles viel leichter, als bei meinem alten Herrn.“ Er schneidet das Muskelfleisch am Hals durch und die Hirschkuh zerfällt in zwei vom Baum herabhängende Längsteile. „Sie versuchten, mir meine Familie zu ersetzen. Das konnten sie natürlich nicht. Sie hatten es bestimmt nicht einfach mit mir.“
    „Wieso?“
    „Ich war selbst für indianische Verhältnisse ziemlich verwildert. Die ersten Jahre kamen Anouk und ich überhaupt nicht klar. Es flogen dauernd die Fetzen.“
    Lucy nickt ahnungsvoll. „Hattest du Freunde?“
    „Nur einen. Die anderen gingen mir respektvoll aus dem Wege. Lag wahrscheinlich daran, dass ich größer als sie war.“
    „Was war so besonders an dem Einen? War es der, welcher dich im Wald gefunden hatte?“
    Lucius lacht auf. „Verhaltensforschung, wie? Jetzt wird mir einiges klar!“
    Lucy muss lachen.
    „Später kehrte es sich ins Gegenteil“, bemerkt er eine Spur ernsthafter.
    „Ihr wart in dieselbe Frau verliebt?“
    Lucius zieht herausfordernd eine Braue hoch. „Warum erzähl‘ ich überhaupt noch?“ Er schneidet die beiden Stricke durch, mit denen die Hirschkuh an den Hinterläufen aufgehängt war, schultert sich die beiden Hälften über und geht damit zu einem kleinen Verschlag hinterm Haus. Lucy liest nachdenklich die Vorderläufe auf und folgt ihm langsam hinterher. Sie fragt sich, ob es seine Zieheltern arg bereuten, ihn angenommen zu haben. An seiner Stelle würde sie ebenfalls nichts dazu bewegen, zu ihnen ins Dorf zurückzukehren.
    Mittlerweile ist die Nacht hereingebrochen. Die Landschaft ist in seichtes Mondlicht getaucht, welches vom Schnee verstärkt wird. Als sie bei ihm am Schuppen ankommt, hat Lucius die beiden Hirschkuhhälften im Schein ihrer Stirnlampe bereits an den Achillessehnen auf zwei Haken gehängt, die an einer Stange befestigt sind.
    Sie reicht ihm die Vorderläufe zu. „Anouk und dieser Freund, hatten sie denn was miteinander?“
    Er nimmt ihr einen Vorderlauf ab und wendet sich mit ihm der Querstange zu. „Nein. Sie trafen sich zwar oft und haben Gedanken ausgetauscht, mehr aber nicht“, erwidert er ihr, während er den Schenkel an einem weiteren Haken aufspießt.
    „Na, du bist dir ja sehr sicher!“
    Er nimmt Lucy den zweiten Vorderlauf ab. „Der kommt mit. ... Ja, ich bin mir absolut sicher. Als wir hier ankamen, war sie noch unberührt.“ Er atmet durch. „Bist du jetzt fertig?“
    Das Kind war also doch von Lucius. Wie schizophren muss Raven sein? Oh Lucius. Was tue ich dir nur an! Sie zieht ihn an seiner Jacke zu sich und gibt ihm einen innigen Kuss.
    Lucius greift um ihre Taille und erwidert ihn mit einem wohligen, versöhnten Knurren. „Komm endlich“, raunt er und nimmt ihre Hand. Sie verlassen den Schuppen über dessen kniehohe Schwelle. Lucius verrammelt die Schuppentür noch mit einem Querbalken und dann wenden sie sich zurück zur Hütte.
    „Wie lange habt ihr eigentlich hier gelebt“, fragt sie ihn auf dem Trampelpfad.
    Er stöhnt. „Dir gehen die Fragen wohl nie aus!“
    Es nervt sie ja selbst. Verdammter Raven! Sie hatte nie vor, Lucius so zu bedrängen. Aber sie muss es wissen. „Du bist mir eben nicht ganz gleichgültig.“
    „Das kannst du mir auch anders zeigen“, meint er und wendet sich zu ihr um. Er reicht ihr den Vorderlauf zu. „Geh‘ doch schon mal rein.“
    Sie nimmt ihm die Keule umständlich ab und macht sich mit ihr auf den Rückweg.
    Lucius hält sich ab. Und er ist noch nicht damit fertig, als ihn ein Schneeball mitten ins Gesicht trifft, so dass er erschreckt aufschreit.
    „Verdammt“, ruft er. „Lucy! Was für ne verfluchte Sauerei!“
    Von der Tür kommt ihr helles Gelächter.
    Lucy kann sich nur beängstigend langsam bewegen. Um sie herum ist alles grünlich verschwommen, ihre Haare schweben über ihr und verdecken ihr teils die Sicht auf einen hellen, immer kleiner werdenden Punkt. Lichtstrahlen treten aus ihm tunnelartig hervor und beleuchten sie gerade noch. Sie muss unbedingt zu diesem Punkt, sackt jedoch immer tiefer in eine dunkelgrüne Kälte. Sie kann weder atmen, noch schreien und strampelt panisch.

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