Wolfskrieger: Roman (German Edition)
Feileg befreite gerade den Wolf. Er band dem Tier die Vorderpfoten los und nahm ihm den Sack vom Kopf. Das Tier schnappte und biss, doch Feileg gab einen leisen Laut von sich, nickte und scharrte auf dem Boden. Das Tier beruhigte sich, blickte Feileg, dann Bragi und schließlich Vali an. Auf einmal rannte es los und verschwand.
Vali zog sich hoch, bis er im Mondlicht vor dem Wolfsmann stand. Sein erster Impuls war, ihn sofort anzugreifen, doch er hatte ja gesehen, wie es Ageirr und Signiuti gerade eben ergangen war. Die Hände und das Gesicht des Räubers waren mit Blut bedeckt, und Vali musste nicht erst fragen. Er wusste genau, woher das Blut stammte.
Der Wolfsmann fixierte ihn. Der Blick schien Vali zu durchbohren, und der Prinz verstand ihn – kalte Mordlust.
»Wo ist sie?«, fragte der Wolfsmann.
»Wer?«
»Das Mädchen. Adisla.«
»Das weiß ich nicht. Ich suche sie. Was geht es dich an?«
»Ich liebe sie.«
»Was?«
»Ich liebe sie. Sie war freundlich zu mir. Das heißt, sie liebt mich auch.«
Das war zu viel, um es sogleich zu verarbeiten. Vali konzentrierte sich auf seine dringendsten Sorgen. »Wir müssen augenblicklich verschwinden«, erwiderte er.
»Du kannst tun und lassen, was du willst«, wandte Bragi ein. »Ich werde den Berserker suchen. Wenn ich jetzt kneife, gilt meine Schuld als erwiesen.«
Vali verdrehte die Augen. Er konnte nicht glauben, was Bragi da sagte. »Wem gegenüber denn? Gabelbart? Du weißt doch, dass er gegen meinen Vater Krieg führen will. Da unten in den Gehöften leben deine Feinde. Die Götter haben gezeigt, dass du im Recht bist und dich aus der Grube befreit. Trotze nicht deinem Schicksal, indem du dein Leben wegwirfst. Ich brauche dein Schwert an meiner Seite, alter Freund.«
Valis vernünftige Einwände konnten Bragi nicht umstimmen, doch die Erwähnung der Freundschaft traf ihn unvorbereitet. Dies hatte er sich von dem Prinzen gewünscht, seit sie zusammen waren.
»Na gut«, willigte Bragi ein. Er ging zur Leiter und stieg wieder nach unten.
»Was machst du da?«
»Ich besorge uns etwas Kleidung für die Reise«, sagte er. »Wir wollen ja nicht erfrieren, und wenn wir am Markttag nackt in Haithabu auftauchen, könnte es einen Aufruhr geben.«
Ageirr und Signiuti waren gut ausgerüstet. Nach seiner Rückkehr hatte Gabelbart angeordnet, dass seine Krieger jederzeit voll bewaffnet sein mussten, falls die Dänen noch einmal angreifen sollten. Ageirr, nach Gabelbart der reichste Mann in der Gegend, trug über einer gepolsterten Jacke eine gute Brünne, außerdem besaß er einen Helm, das Schwert, das Bragi bereits an sich genommen hatte, einen Schild und eine Streitaxt. Der nicht ganz so reiche, aber immer noch wohlhabende Signiuti hatte keine Brünne, aber dafür einen guten Mantel, ein schönes Messer mit einem Griff aus Walknochen, das Schwert, das schon in Valis Besitz übergegangen war, und ebenfalls einen Schild. Vali überließ Bragi die Brünne. Der alte Mann nahm auch Ageirrs Helm und die anderen Waffen an sich, Vali bekam Signiutis Ausrüstung. Er war nicht sicher, wie nützlich der Schild im Kampf war, kannte aber immerhin dessen Wert als Schutz vor Wind und Wetter auf See, und sie würden über das Meer fahren.
»Der alte Brunn hat eine Vika von hier eine Färing liegen«, sagte Vali. »Wir brauchen allerdings den halben Morgen, um hinzukommen, vielleicht sogar noch länger, weil wir vorsichtig sein müssen.«
»Das ist für uns der beste Weg nach Hause. Wir könnten in einer Woche in Hordaheim sein.«
Vali schüttelte den Kopf. »Gabelbarts Langschiffe würden uns lange vorher einholen. Wir fahren in eine ganz andere Richtung.« Er wandte sich an den Wolfsmann. »Danke. Ich weiß nicht, wie ich dich entlohnen kann, aber falls du jemals zum Hof meines Vaters kommen solltest, musst du ihm diese Geschichte erzählen und sagen, dass Vali der Schwertlose darum bittet, dich zu empfangen, wie sie ihn selbst empfangen würden.«
Der Wolfsmann starrte Vali nur an.
»Was ist?«
»Ist das Mädchen dort?«
»Nein, sie ist nicht dort. Wir wissen nicht, wo sie ist, aber ich will es herausfinden.«
»Dann begleite ich dich«, entschied der Wolfsmann.
»Nein«, wehrte Vali ab. »Ich kenne dich nicht.«
»Ich habe geschworen, sie zu beschützen. Du suchst sie. Ich will mit dir gehen.« Er sagte es, als sei es eine zwingende Schlussfolgerung.
»Sie braucht deinen Schutz nicht«, erwiderte Vali.
»Herr, ich glaube, wir sollten uns allmählich auf den Weg
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