Wolfskrieger: Roman (German Edition)
leider behelligen.«
»Warum denn, Herr?«
»Ich brauche dein Boot.«
Der Lärm kam näher. Vali hatte nicht mehr viel Zeit.
Brunn blickte in die Richtung, aus der sich die Verfolger näherten, dann betrachtete er die Waffen, mit denen sich Vali und Bragi ausgerüstet hatten.
»Anscheinend wäre es unklug, mich zu weigern«, sagte er, »aber weit werdet ihr sicher nicht kommen.«
»Wende dich an meinen Vater in Hordaland, er wird dich entschädigen«, erklärte Vali. »Wenn ich zurückkehre, will ich dir zu Diensten sein und alles tun, was du verlangst, ich schwöre es.«
Ein Stück entfernt tauchten drei dürre Jungen auf. Sie waren mit Stöcken bewaffnet.
»Wenn ich diesen Winter verhungere, werden mir deine Versprechungen nicht mehr viel nützen«, erwiderte Brunn. Vali hatte keine Zeit, ihm zu antworten. Zusammen mit Bragi stieß er das Boot den Strand hinunter. Es war nicht leicht, doch der abschüssige Grund half ihnen. Vali sah sich um. Neben den jungen Burschen standen jetzt zwei Bauern von entlegenen Gehöften. Sie waren nur auf Gabelbarts Ruf hin nach Eikund gekommen. Vali kannte sie kaum.
»Nehmen dir die Diebe dein Boot weg, Fischer?«
Brunn schwieg. Es war eine ungewöhnliche Situation, und er war ein vorsichtiger Mann. Einen Prinzen der Horda einen Dieb zu nennen, wäre für seinen Geschmack viel zu kühn gewesen.
Weitere Bauern und ein paar Leibeigene tauchten auf, bisher aber noch keine Krieger. Bragi und Vali schoben das Boot weiter, während die Männer langsam zum Strand kamen. Als sie noch ungefähr hundert Schritte entfernt waren, befand sich das Boot immer noch fünf Längen vor dem Wasser. Sie würden es nicht schaffen. Er zog das Schwert und drehte sich um. »Wir sind zehn, Herr. Mach es uns doch nicht so schwer«, sagte ein stämmiger Bauer, der aussah wie ein Fass auf zwei Beinen.
»Es werden aber nicht zehn von euch zurückkehren«, versprach Vali ihnen. »Ihr kennt Bragi, den getreuen Untertan von Authun dem Erbarmungslosen. Die Wölfe heulen seinen Namen, weil er sie so oft gefüttert hat.«
Vali achtete sehr darauf, sich gewählt auszudrücken, um die Bauern zu beeindrucken.
Die Worte taten ihre Wirkung, und die Männer hielten inne. Anscheinend hatte sie ihr Mut schon fast verlassen, und sie brauchten nur noch einen kleinen Anstoß, um ihr Vorhaben endgültig aufzugeben. Mit erhobenem Schwert ging er auf sie zu. Leider waren zwei von ihnen betrunken, klopften sich mit ihren Stecken in die flachen Hände und traten vor.
Was als Nächstes geschah, kam so schnell, dass die Augen kaum folgen konnten. Mutter Brunn schrie auf, als der Wolfsmann über den Strand herbeigerannt kam. Er lief jedoch nicht auf zwei Beinen, sondern auf allen vieren und stieß sich auch mit den kräftigen Armen vom Schiefer ab. Auf einmal war er zwischen Vali und der Meute und knurrte die Bauern an. Sein Gesicht und seine Hände waren blutig, die Augen unter dem Wolfsfell unsichtbar. Er wirkte wirklich wie ein Werwolf, wie ein Ungeheuer, das aus Entbehrung, Ritual, Blut und vor allem aus Furcht entstanden war. Wer die Szene aus der Sicherheit eines Bootes beobachtet hätte, der hätte vielleicht nur einen Mann mit einem Wolfsfell gesehen, welcher in seltsamer Manier auf allen vieren zu den Bauern lief. Die Bauern aber hatten in langen Winternächten viele Geschichten über Zauberer gehört, die Tierhäute anlegten und wie Tiere umherliefen, und sahen etwas ganz anderes. Auf einmal war ein Wesen zum Leben erwacht, von dem sie bisher nur am Lagerfeuer gehört hatten, und starrte sie unter einem düsteren Himmel auf dem schwarzen Strand an. Dieser Gegner, so schien es, konnte sie direkt nach Hel verschleppen. Der Trank, der zwei Männer so kühn gemacht hatte, entfaltete nun die gegenteilige Wirkung und weckte unaussprechliche Ängste in ihnen.
Feileg senkte den Kopf, warf ihn zurück und stieß ein unirdisches Heulen aus. Die beiden Trinker machten auf der Stelle kehrt und flohen. Die anderen blieben, wo sie waren, doch Vali konnte erkennen, dass auch sie kurz davorstanden, das Hasenpanier zu ergreifen. Beinahe schienen sie auf der Stelle zu tänzeln, machten einen Schritt vor und dann einen zur Seite. Messer, die schon gezogen waren, verschwanden in den Scheiden, Waffen wechselten von einer Hand in die andere. Die Männer sahen sich hilfesuchend über die Schultern um. Niemand kam.
»Das Boot!«, rief Bragi.
Vali drehte sich um und half ihm wieder beim Schieben, während der Wolfsmann wütend
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