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Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Titel: Wolfskrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. D. Lachlan
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hervortat, wäre es sicher interessant, ihm zuzuhören. Die Leute strömten über Meilen aus dem Umland herbei, um ihre Schlagfertigkeit an ihm zu messen. Es hieß, ein guter Skalde könne bei einem abendlichen Trinkgelage hundert Gegner übertrumpfen, und jeder bekäme seine persönliche Beleidigung ab, die gewöhnlich sogar in Reimen vorgetragen würde.
    Vali betrachtete die Kette und den Fluss dahinter. Die Sehnsucht, die er dabei empfand, ließ sich nicht in Worte fassen. Es war eine Art Hunger, ein starkes Ziehen im Bauch.
    Er musste einen Ausweg finden. Doch selbst wenn er aus der Siedlung fliehen konnte, würde Hemming ihn verfolgen und mühelos aufspüren. Wenn er über Land ging, konnten ihn ängstliche Bauern aufhalten oder töten. Über das Wasser wäre es leichter, aber immer noch gefährlich. Allein konnte er höchstens eine Färing steuern, und selbst das wäre schwierig. Bis zum offenen Meer müsste er ein gutes Stück zurücklegen, und der Wind war unstet. Ein Drakkar würde ihn noch vor der Mündung einholen.
    Er kehrte ins düstere Haus zurück und setzte sich. Ausnahmsweise war niemand in der Nähe, nicht einmal die Frauen. Alle waren draußen, um den Skalden zu empfangen. Er pickte im gekochten Fleisch in einer Schale herum. Dann fiel es ihm ein.
    Die Vorstellung des Skalden am Abend würde ihm die passende Gelegenheit bieten. Doch es reichte nicht, einfach nur zu fliehen. Er musste auch dafür sorgen, dass er nicht verfolgt wurde. Der Wolfsmann war sein Ebenbild. Er tippte mit einem Knochen auf die Schale und versuchte, einen anderen Weg zu finden als den, der sich gerade vor ihm aufgetan hatte. Es gelang ihm nicht. Vali musste Feileg töten, ihm seine eigenen Kleider anziehen und verschwinden. Damit wäre sein Entkommen noch nicht gesichert, denn Hemming würde sicher unter großem Getöse den Mörder seines Gastes suchen, doch die Hetzjagd würde nicht annähernd so energisch verlaufen wie die Suche nach Vali selbst.
    Er überlegte sich die Einzelheiten. Als Erstes musste er sich einen dänischen Mantel besorgen, in den er sich hüllen konnte. Die Wächter wären am Abend betrunken oder zumindest vom Skalden abgelenkt, und Vali konnte einfach hinausspazieren. Der Wolfsmann musste ihm einen Mantel stehlen. Wenn Feileg damit zurückkehrte, konnte Vali ihn töten. Vali sagte es sich in Gedanken, um sich auf sein Vorhaben festzulegen: »Ich werde ihn töten.« Kein Zweifel, dies war der beste Weg. Doch die Vision ließ ihm keine Ruhe – die Höhle, der Körper des Wolfsmannes, der sich in die Gestalt dieser seltsamen Rune verbogen hatte, sein eigener Körper und auch Adisla, auf ähnliche Weise verformt. Er bekam Angst. Was, wenn er scheiterte? Dann würde der Wolfsmann ihn töten, und Adisla wäre allein.
    Bragi hatte ihm erzählt, sein Vater Authun sei berühmt dafür, kalt nachzudenken, stets zu erkennen, was getan werden musste, und den Vorsatz ohne Gefühlsregung und Zögern auszuführen. Hieß es nicht sogar, er habe neun Krieger zum Berg der Hexen mitgenommen, obwohl er schon vorher gewusst hatte, dass sie sterben würden? Er hatte sie gebraucht, also hatte er sie genommen. Der Wolfsmann war nicht einmal Valis Gefolgsmann, sondern ein Gesetzloser, der viele Männer getötet hatte.
    Sie hatten Vali nicht entwaffnet. Das wäre eine Demütigung und ein Eingeständnis gewesen, dass die Dänen ihn fürchteten. Nur als er Hemmings Halle betreten hatte, hatte er das Schwert abgeben müssen. Er erinnerte sich an den Strand und an den Wolfsmann, der ihm wild um sich schlagend ins Wasser gefolgt war. Vielleicht hätte er ihn dort ertrinken lassen sollen. Er konnte sich selbst nicht erklären, warum er sein Leben aufs Spiel gesetzt und den Mann gerettet hatte. Vielleicht war es die Vorsehung gewesen, damit der Wolfsmann ihm nun bei der Flucht helfen konnte.
    Während sich die Idee in seinem Kopf festsetzte, suchte er nach einer Rechtfertigung für sein Vorhaben. Feileg war gefährlich und hatte sie durch sein Verhalten in der Stadt in Gefahr gebracht. Er zog die Aufmerksamkeit auf sich, wo immer er auftauchte. Außerdem war zwischen ihm und Adisla etwas Beunruhigendes geschehen. Konnte er Feileg vertrauen, wenn sie Adisla fanden? Nein. Er hatte Feilegs Blicke bemerkt und wusste, was der Wolfsmann ihm gegenüber empfand. Feileg wollte Vali töten, doch er brauchte ihn, um Adisla zu finden. Sobald das geschehen war, würde Feileg ihn angreifen.
    »Ich bin ein Wolf«, sagte der Wolfsmann oft. Dann musste

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