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Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Titel: Wolfskrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. D. Lachlan
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schenken.«
    »Manch einem schenkt er auch einen frühen Tod«, erwiderte Vali.
    »Ich lebe schon lange«, meinte Bragi. »Ich strebe nicht nach vielen Jahren, sondern nur nach Ruhm.«
    Auf dem Schiff befanden sich etwa sechzig Männer. Zwei hielten ihre Streitäxte bereit, weitere drei bewachten sie mit Speeren. Sie schienen zwischen Wut und Angst zu schwanken. Vali erinnerte sich, dass der Wolfsmann nicht gern gesegelt war, doch auf einem so großen, stabilen Schiff sollte er eigentlich nicht seekrank werden.
    Er sah sich um. Kein Land in Sicht. Anscheinend hatten sie Haithabu auf dem entgegengesetzten Weg verlassen. Man hatte sie in die Stadt gebracht und auf ein anderes Boot verfrachtet, das nun zurückfuhr. Deshalb hatte die Reise zum offenen Meer so lange gedauert. Bragi sagte, der Meeresarm, der bis zu Hemmings Hof führte, sei durch einen von Menschen gegrabenen Kanal mit dem Fluss Edjeren und so auch mit der Nordsee verbunden. Auf diesem Weg waren sie nun hinausgefahren. Wahrscheinlich navigierten sie nach der Sonne und den Sternen und würden sich möglicherweise verirren, das vermutete Vali jedenfalls. Wenn sich das Schiff verirrte und an einer fremden Küste landen musste, konnte er vielleicht fliehen. Er lehnte sich an ein Spant.
    »Schlaf nur, wenn du möchtest«, sagte Bragi. »Ich beobachte diese Schweinehunde.«
    Also schlief Vali – oder schwebte zumindest unentschlossen zwischen Wachen und Schlafen.
    Die Besatzung musste eine Weile rudern, weil das Meer glatt wie ein Spiegel war. In seinem Dämmerzustand kam Vali der stetige Ruderschlag vor wie die Geräusche eines Tiers, vielleicht das Pochen eines Herzens. Innerlich stimmte er sich auf den Rhythmus ein, ließ sich davon einfangen, und dann schien sich etwas zu verändern. Es war kein behäbiger, langsamer Rhythmus mehr, sondern er wurde schneller, hektischer. Vali träumte – oder glaubte zu träumen – und sah Adisla, Feileg und die seltsame Rune. Sie schien zu pulsieren und sich zu bewegen, sie vibrierte und sprang umher. Schließlich erkannte er, dass nicht die Ruder den Lärm machten, sondern die Rune. Sie schwebte auch nicht und war nicht körperlos, wie er bisher angenommen hatte, sondern sie war sehr real und auf eine Fläche gemalt. Er atmete ein, roch Felle und Holz – ein Feuer. Die Rune bebte. Sie schmückte ein Trommelfell. Jemand rührte die Trommel, auf der das schreckliche Symbol zu sehen war. Als er durch die Rune hindurchblickte, entdeckte er Adisla – doch wo war sie? Sie befand sich in einem Kreis wilder Tiere: Wölfe, Bären, Hirsche, sogar ein riesiger Adler war dabei. Dann klärte sich sein Geist, und er sah, was sie wirklich waren – Männer, die Tiermasken trugen. Sie schlugen Trommeln, auf denen überall die Rune zu sehen war. Bei jedem Schlag schien sie sich vom Trommelfell zu heben und hoch hinauf in die Nacht zu schweben. Er wusste sofort, wohin die Figuren zogen – sie kamen zu ihm. Sie überfluteten ihn förmlich und umschwärmten ihn. Offenbar wollten die Männer ihm zeigen, dass sie Adisla hatten. Sie riefen ihn und legten ihm sogar eine Fährte, der er folgen konnte. Doch dort war noch etwas anderes, etwas Altes und Hungriges, das am Rande seines Bewusstseins herumschlich und alles beobachtete. Dieses Wesen war wie ein Abgrund, wie ein drohender Sturz ins Nichts, und von ihm ging genau die gleiche Kälte aus, die er gespürt hatte, als Disa ihre Magie bei ihm gewirkt hatte.
    Der Trommelschlag erfüllte seinen Kopf.
    Als er sich umdrehte, sah er den Mann, den er im Schildwall bemerkt hatte, den großen und bleichen Kerl mit dem Büschel roter Haare auf dem Kopf.
    »Hilf mir, sie zu finden«, sagte Vali.
    »Du wirst sie finden«, versprach der Mann, »und du wirst dich verirren. Empfange die Gabe des Zauberers. Deine Wut ist nun ein Tor für ihn, und er hört, wie es sich öffnet. Lass die Kleinen zu dir hinein.«
    Er hob eine Handvoll der stachligen Runen hoch und sprenkelte sie Vali über den Kopf.
    »Was will der Trommler von mir?«
    »Du sollst dich selbst kennenlernen.«
    »Wer bin ich?«
    Der Mann nahm Vali in die Arme und küsste ihn auf die Stirn.
    »Willst du das wissen?«
    »Ich will es wissen.«
    »Dann erfahre es.«
    Wieder ertrank er. Das schmutzige Wasser versperrte ihm die Sicht, drang in die Lungen ein und erstickte jeden bewussten Gedanken. Die Trommeln dröhnten in seinem Kopf, dazwischen hörte er Jodis rufen, man solle ihn untertauchen. Er sah sich selbst in der Kammer, wo ihm die Rune

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