Wolfskrieger: Roman (German Edition)
in die Nebelbänke geglitten war?
Feileg half ihm, einen stämmigen Dänen über das Dollbord zu hieven. Der Mann war viel schwerer, als es den Anschein hatte. Sie ließen ihn einen Moment halb zur Seite gekippt sitzen, um wieder zu Atem zu kommen. Er wirkte in diesem Moment eher seekrank als tot. Dann dämmerte Vali, was geschehen sein musste.
»Du hast das mit ihnen gemacht, nicht wahr? Du hast diese üble Sache getan.«
Der Wolfsmann erwiderte ausdruckslos seinen Blick. »Prinz«, sagte er, »du darfst nicht so mit mir reden, denn du hast wie ein Wolf gespeist.«
»Gehst du jetzt dazu über, in Rätseln zu sprechen, Feileg? Unsere menschliche Gesellschaft hat wohl eine nachteilige Wirkung auf dich ausgeübt. Sage klar und deutlich, was du zu sagen hast.«
Der Wolfsmann schwieg.
Der tote Däne zeigte bereits starke Anzeichen von Verwesung. Als sie seine Beine anhoben, platzte der Bauch auf, und Vali stand in einer Wolke von Leichengas. Er würgte. Der Mann versank im Wasser, und Vali wischte sich schaudernd das Erbrochene ab. Er hatte einen seltsamen metallischen Geschmack im Mund, den er eigentlich gar nicht so unangenehm fand. Er betrachtete seine Hand und dann die Stiefel, auf die er sich übergeben hatte. Schon wieder Blut. Instinktiv tastete er seine Seiten, die Arme und die Beine ab. Er war nicht verletzt, erbrach aber immer noch Blut. Der Wolfsmann sah ihm reglos zu.
Als die letzte Leiche beseitigt war, setzte Vali sich hin, öffnete eine Seekiste und nahm einen Weinschlauch heraus, um ausgiebig zu trinken. Es schmeckte eigenartig, sogar unangenehm. Er nahm an, der Wein sei umgeschlagen. Warum hatten sie nur schlechten Wein auf die Reise mitgenommen? Er versuchte einen anderen Schlauch, der ebenfalls verdorben war. Auch das Bier, das er in einem dritten Schlauch fand, sagte ihm nicht zu. Es war widerlich und ungenießbar.
Endlich fand er einen Schlauch mit Wasser und trank. Es schmeckte viel besser, doch er hatte jetzt ganz neue Eindrücke. Anflüge von Dingen, die er nicht benennen konnte, die ihn aber an die Todeszuckungen des Tiers denken ließen, aus dessen Leder der Schlauch hergestellt war. Beim Trinken nahm er noch etwas anderes wahr – eher einen Geschmack oder eine Erinnerung, wer den Schlauch vorher benutzt hatte. Kurz vor Beginn der Schlacht hatte jemand daraus getrunken – er kostete den Angstschweiß.
Schließlich empfing er neben dem Salz des Meeres und den feuchten Brettern noch tausend andere Gerüche. Gras, Erde, Rentiere, Bäume, trocknender Sand und Tang, und dann ein so starker und mächtiger Eindruck, dass er beinahe lachen musste. Ein nasser Hund. Er sah Disa vor sich, die Hopp vom Feuer vertrieb und sagte, wenn er noch dichter herankäme, könnten sie gebratenen Hund zum Abendessen auftischen. Vali atmete tief durch. Das Land war nicht mehr weit.
Allerdings konnte er nichts entdecken, als er sich umsah. Der Geruch der Kiefernnadeln verriet ihm immerhin, dass die Küste im Osten lag, den Nebelschatten entgegengesetzt, die die Sonne warf. Das Schiff trieb in einer Strömung und war zu groß, als dass er hätte allein unter Segeln fahren können, doch er nahm das Ruder und versuchte wenigstens, es in die entsprechende Richtung zu steuern.
Der Wolfsmann sah ihn nur an.
Die Leichen und die lange Ohnmacht hatten Valis Gedanken verwirrt. Nach und nach klärte sich sein Kopf, und ihm wurde eine sehr wichtige Frage bewusst, die er noch nicht gestellt hatte. »Weißt du, was mit Bragi passiert ist?«, fragte er.
»Ja«, sagte der Wolfsmann.
»Was denn?«
»Du hast ihn getötet.«
36
Der Blutsumpf
V ali konnte sich im Gegensatz zu Feileg nicht an den Angriff erinnern und wusste auch nicht mehr, dass der riesige Mond die ganze Welt auf Silber und Schwarz, auf Linien und einen Kreis reduziert hatte.
Die Drachenboote waren rasch und lautlos aus dem Nebel herangekommen. Feileg hatte angenommen, ein Hexer, der für die Piraten arbeitete, dirigierte den Überfall. Wie sonst hätten sie Bodvar Bjarkis Schiff mitten in der Nacht und bei diesem Nebel ausmachen können?
Er wusste nicht, dass eine Magie im Spiel war, die auf etwas Wichtigeres hinauswollte als auf bloße Plünderung. In den Höhlen der Trollwand arbeitete die Hexe daran, ihn seinem Schicksal entgegenzuführen, und auf dem flachen Fels einer Insel saß der Hexer des Nordens seit einer Woche in Trance, schlug die Trommel und sang seine Lieder, um Vali zu sich zu rufen. Also fand der dänische Kriegsherr in dieser
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