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Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Titel: Wolfskrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. D. Lachlan
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in ihren Gängen allein mit dem Tastsinn zurechtfand, hatte sie eine kleine Lampe bereitgestellt, damit sie es nach den Qualen etwas behaglicher hatte. Nachdem sie so dunkle Orte besucht hatte, brauchte sie ein wenig Licht. Vor ihren Füßen lag das kleine Stück Leder mit der eingeritzten Wolfsangel. Sie berührte es und spürte die Schwingungen des Symbols in sich selbst. Es war zu ihr zurückgekehrt. Ja, Odin war tot, niedergestreckt von dem einzigen Wesen, das ihn bezwingen konnte – der Fenriswolf war auf die Erde gekommen. Sie hatte dem gehenkten Gott seine Runen gegeben und ihn sich selbst finden lassen, und er hatte den Spruch gewirkt und sich getötet.
    Stolpernd lief sie den Gang hinauf zu einer kleinen Quelle, die dort im Boden entsprang. Sie schöpfte das Wasser mit den Händen, und als sie es zum Mund hob, tropfte etwas herunter. Fiel es nicht viel zu schnell? Sie hob einen Stein, rollte ihn in der Hand hin und her und ließ ihn fallen. Er sprang über den Felsboden. Zu weit? So kam es ihr vor. Nur Odin konnte Steine und Bäche in Angst und Schrecken versetzen, nur er konnte die Luft vertreiben und die Meere zum Rückzug veranlassen. Also war er nicht tot, sondern hatte trotz all ihrer Bemühungen überlebt.
    Die Hexenkönigin, die als Königin nun nur noch über sich selbst herrschte, nachdem sie all ihre Untertanen erschlagen hatte, sank im Dunkeln zitternd zu Boden. In den Gängen bewegte sich die Luft. Sie wusste, was es war – der Atem des Gottes. Er suchte sie, und sie war allein. Keine Schwestern waren da, die ihre Kräfte verstärken konnten, kein Heer von Hexen, das sie ihm entgegenschicken konnte, um ihn zu schwächen. Hatte man sie hinters Licht geführt? Hatte eine größere Magie als ihre eigene sie für nichts und wieder nichts zur Mörderin gemacht?
    Etwas drang in ihren Geist ein, der Gott bedrängte sie, besetzte alles rings um sie herum, sickerte durch die Gänge und Höhlen herein, um sie zu umfangen und zu ersticken. Odin suchte sie nun heim – Odin, der Herr der Gehenkten, Odin der Berserker, Odin der Tobende, der Baumelnde, der Kreischer, der Speerkämpfer, das alte Einauge, Odin der Verrückte, Odin der Dichter, Odin der Regen, Odin der Fels, Odin die Finsternis und Odin das Licht. Er wartete an jeder Biegung des Tunnels, versteckte sich in jedem Teich und huschte davon, wenn sie die Hand in die Dunkelheit stieß, um ihn zu fangen. Platschend lief er im Dunkeln durch die Pfützen, wenn sie ihn verfolgte.
    Wenn Odin hier war, wo war der Wolf? Sie hatte angenommen, der Zauberer aus dem Norden würde Fenrisulfur in Fleisch und Blut auf die Erde bringen und sich selbst zerstören. Doch wenn der Magier mit der Trommel nicht Odin war, dann hatte sich auch der Wolf nicht manifestiert. Sie war sicher, dass der Wolf nur dann vollends erscheinen konnte, wenn der Gott sich seiner selbst bewusstwurde. In kleinen Schüben kehrte nun ihre Vernunft zurück. Sie hatte getötet und gelitten, sie hatte nach magischer Einsicht gestrebt. Jetzt schienen sich Würmer durch das Labyrinth ihrer Gedanken zu nagen. Gedankengebäude und Verbindungen verschwanden aus ihrem Kopf, Zugänge wurden versperrt, verbrannt und zerstört. Also musste sie andere Wege finden und neue Gänge durch das Gewirr ihrer alltäglichen Annahmen bohren, schwankende Brücken zwischen Bereichen in ihrem Geist schlagen, die bisher nur indirekt in Verbindung gestanden hatten. Andere hätten es Wahnsinn genannt, doch für die Königin war es ein Segen, der ihr nach Jahren des Mordens und der Qualen zuteilwurde.
    Eine Erkenntnis formte sich in ihr: Sie war die Erste unter den Magiern, eine unvergleichliche Zauberin. Aus Furcht, sie könnte sich vor dem Gott verraten, hatte sie ihre Absichten sogar vor sich selbst verborgen. Denn hätte er jemals erfahren, dass sie gegen ihn handelte, hätte er sie sofort zerschmettert. Solange sie sich selbst täuschte, konnte ihr nichts passieren. Solange sie ihre Energien auf das falsche Ziel richtete, glaubte der Gott, er hätte noch Zeit und würde tändeln und zögern. Damit gab er ihr zugleich die Möglichkeit, den Wolf auf die bestmögliche Weise zu verwirklichen – indem sie jemand anders dazu brachte, es für sie zu tun. Ihre Visionen sagten ihr nun, dass sie sogar die wahre Natur des Zauberspruchs vor sich selbst verborgen hatte und nicht einmal wusste, welcher der Knaben den Geist des Gottes aufnehmen sollte, sobald dieser auf die Erde kam. Odin hatte ihr das Geheimnis nicht entreißen

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