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Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Wolfskrieger: Roman (German Edition)

Titel: Wolfskrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. D. Lachlan
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der Vererbung und wie man die Magie als Begabung übertragen kann.
    Von diesem Augenblick an konnte nicht einmal der Tod den Schwestern die Macht der Runen nehmen. Jede konnte sich die Erfahrung ihrer Lehrerinnen aneignen, Fortschritt war möglich. Die Hexen wurden mächtiger, da sie Generation um Generation behielten, was sie besaßen, und ihr Wissen mehren konnten, bis vierundzwanzig Schwestern zum inneren Kreis zählten. Jede war die Hüterin, Ernährerin und der Ausdruck einer anderen Rune.
    Schließlich trat eine fünfundzwanzigste Hexe hinzu. Sie war Authun als Gullveig bekannt, die Hexenkönigin. Einige Einheimische nannten sie auch Huldra, doch diesen Namen hatten die Schwestern nie benutzt, auch keinen anderen. Als Kind war sie in die Höhlen gebracht worden, und sie schien nach einer Weissagung bestimmt, die Rune des Tageslichts zu übernehmen. Doch als die Hexen mit dem Mädchen arbeiteten, wurde klar, dass es bereits eine Rune in sich trug. Schon bei den ersten Meditationen, so schien es jeder Hexe, leuchtete das Mädchen in der Dunkelheit und raschelte wie der Wind in einem mächtigen Baum. Das war den Schwestern ein Rätsel, denn normalerweise erforderte es Jahre des Leidens und der Selbstverleugnung, damit sich eine Rune manifestierte – und außerdem musste zuvor die Schwester sterben, die sie vorher in sich getragen hatte. Mit zwei Jahren wurde das Mädchen neuen Qualen ausgesetzt und beobachtet. Eine Rune schien aus ihr hervorzubrechen – silbern wie das Meer im Mondlicht –, dann noch eine, die wie Eis in der Morgensonne blitzte, und eine dritte, die eher ein Gefühl als einen sichtbaren Eindruck hinterließ, ein scharfes Stechen auf der Haut wie in eisiger, schneidender Kälte; eine vierte, die nach wilden Früchten duftete, eine fünfte, die wie der Hunger war, eine sechste, die golden schimmerte, eine siebte, die nach Rosen und Blut roch, und eine achte, die nach Wind in den Segeln klang. Am Ende ihres dritten Lebensjahres lebten alle vierundzwanzig Runen, welche die Schwestern ihr Leben lang ausgedrückt, geträumt und für ihre Macht benutzt hatten, in der Kleinen.
    Sie stellte einen neuen Schritt in der Entwicklung der Hexen dar. Zuvor hatte die Königin nur die Tageslicht-Rune gehalten, die der ersten Hexe zugekommen war. Gullveig besaß nun alle Symbole. In den ersten Lebensjahren hatte sie in ihren rituellen Qualen mit dem gehenkten Gott verschiedene Reisen durch trockene Gräber in Wüstenländern unternommen, wo die Toten aus verfallenen Grabstätten die Klauen nach ihr auszustrecken schienen. Sie war durch Sümpfe und Torfmoore geschritten, wo sie die frische, rosafarbene Haut von gerade Ertrunkenen erblickt hatte, die sie im Sinken um Hilfe anzuflehen schienen. Sie hatte Schlachten beobachtet, wo sterbende Männer die Namen von Geliebten und Kindern geflüstert hatten, und den Toten die kreischenden Runen aus den Fingern genommen. Es hieß, sie sei dem Wahn verfallen, doch hätten die Bauern und Krieger der Täler gewusst, was sie durchgemacht hatte, dann hätten sie gestaunt, wie sie bei alledem so vernünftig bleiben konnte.
    Als sie die Vorzeichen von Fels, Wind und Wasser las, erkannte Gullveig, dass etwas Außergewöhnliches geschah. Die Vorahnung, die alle Höhlen erfüllte, die schwere Luft, die Ahnung einer drohenden Enttäuschung, all das verriet ihr, dass sie keine Wahl hatte. Sie musste eine Rune schnitzen, um die Zukunft in das Menschenreich hineinzuzwingen, damit man das Schicksal betrachten, besprechen und letzten Endes formen konnte.
    Aus diesem Grund stieg sie in die unteren Höhlen hinab, wo die Felsen mit glühendem Rot und Grün befleckt waren und die feuchte Kälte einer Hitze wich, die aus der Erde selbst entsprang. Mit sich nahm sie nur ein kleines Stück gegerbtes Leder, das einst zum Gürtel eines Häuptlings gehört hatte, und eine Fibel, die sein Gewand am Hals zusammengehalten hatte. Dann blieb sie eine ganze Jahreszeit lang allein. Niemand brachte ihr Essen, und zu trinken hatte sie nur das Wasser, das sie von den Felswänden leckte. Es gab kein Licht außer dem Phosphoreszieren des Steins und niemanden außer ihr selbst. Am Ende der Prüfung kamen die Schwestern und trugen sie aus der Höhle. Sie hatte nichts geschrieben, und es war klar, dass ein größeres Opfer nötig war.
    Das Senkloch am Grund der Geisterhöhlen war nicht natürlich entstanden, doch niemand wusste, wer es gegraben hatte. Oben war es eine Armspanne breit, verengte sich aber zehn oder

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