Wolfskrieger: Roman (German Edition)
Schreie verloren sich allmählich in der Ferne. Alle Bewohner der Insel, die rennen konnten, waren geflohen, und die meisten Berserker verfolgten sie. Stille senkte sich über die Häuser. Vali atmete tief ein. Der Geruch des Rauchs in der kühlen Luft des Sommermorgens war wundervoll.
Das Dach war zu hoch, um hinaufzuklettern, und die Türen waren undurchdringlich. Wenn sie genug Zeit gehabt hätten, dann hätten sie sich unter den Mauern durchgraben können. Vielleicht bestand die Möglichkeit, durch ein Fenster einzudringen. Für die größeren Männer waren die Fenster zu schmal, aber er war schmächtiger.
»Bragi.« Er deutete zum Fenster. »Sorge dafür, dass niemand das Haus niederbrennt, während ich drinnen bin.« Er legte den Schwertgurt und die drei Hemden ab, die er als Rüstung trug.
Bragi half ihm, auf seine Schultern zu klettern. Vali konnte das schmale Fenster erreichen, fand aber keine Möglichkeit, sich festzuhalten.
»Stell dich auf meinen Kopf«, schlug Bragi vor und rückte den Helm zurecht.
Vali tat es, und nun konnte er auch die zweite Hand in die Öffnung stecken und sich hochziehen.
Er zwängte eine Schulter hinein, wand sich, zog sich weiter und war endlich durch. Er landete auf einem Tisch.
Das Gebäude hatte vier Fenster, die genügend Licht spendeten. Zunächst nahm er nur Farben wahr – Silber und Gold, rechts an der Wand eine große Stickerei, links die verriegelte Tür. Als sich seine Augen angepasst hatten, entdeckte er die Männer. Es waren vier, die sich ebenfalls die Köpfe geschoren hatten. Zwei hatten große Kerzenständer erhoben, der dritte hielt ein schweres silbernes Kreuz. Nur einer, er war ungefähr dreizehn und damit wohl in seinem Alter, war unbewaffnet. Erst jetzt erkannte Vali, dass er seine Klinge vergessen hatte.
Die Männer griffen ihn nicht an, was er für dumm hielt, denn wenn sie ihn nicht niederschlugen, würde er die Tür öffnen. Sie schrien ihn nur an. Er erkannte einige Worte ihrer seltsamen Sprache.
»Gott, Erlöser, hilf uns.« Der Mann stieß das Kreuz vor, fuchtelte damit herum und sagte noch etwas, das Vali nicht verstand.
» Helsceada, Helsceada, Helsceada. Satan!«
Dann sagte der Mann mit starkem Akzent wieder etwas Verständliches: »Weiche von mir!«
Wollten sie ihn verfluchen? Vali hatte nicht das Gefühl, verhext zu werden. Vor der Tür entstand neuerlicher Lärm, und einige Worte drangen herein.
»Brenne, Odin! Blutschwan! Entfacher!«
Vali richtete sich auf. Er sprang nicht vom Tisch herunter, weil er seine königliche Stellung unterstreichen wollte. Es waren vier Männer im arbeitsfähigen Alter und eine anständige Menge Silber. Das war keine schlechte Beute. Zuerst einmal musste er sie aber unterwerfen, obwohl er unbewaffnet war. Er hatte nur seine Worte und wusste, dass sie nur die Hälfte davon verstehen würden.
»Ich glaube, ihr hättet fliehen sollen«, erklärte Vali. »Draußen vor dieser Tür warten Wölfe und Bären. Soll ich euch an sie verfüttern?«
Nun sprang er vom Tisch herunter und ging zur Tür, um sie zu öffnen.
Die Männer plapperten aufgeregt, gingen aber nicht auf ihn los. Hinter ihm klirrte es. Jemand hatte sein Sax durch das Fenster geworfen.
Vali betrachtete die Waffe und machte eine abfällige Geste.
»Die brauche ich nicht, wenn ihr vernünftig seid«, sagte er. »Lieber Sklave als tot, würde ich sagen.«
Einer der Männer sagte etwas, und Vali verstand den größten Teil.
»Landeinwärts und doch vom Meer her. Satan hat die Hand im Spiel.« Schon wieder das merkwürdige Wort.
»Nur ein Schiff und der Segen der Götter«, antwortete Vali.
»Ein einziger Gott«, widersprach der Mann. Er deutete auf die Stickerei.
Vali betrachtete sie. Eine seltsame, aber schöne Darstellung Odins hing an einem Baum, ein Speer steckte in seiner Seite. Er hielt es für eine Beschreibung der Suche des Gottes nach Weisheit im Brunnen Mimir, wo er ein Auge hergegeben hatte, um Wissen zu erlangen. Wenn diese Männer aber Anhänger Odins waren, wo war dann ihre Kampfeslust? Einen heiligen Ort der Berserker konnte man gewiss nicht betreten und lebendig wieder herauskommen.
»Er steht auf unserer Seite, nicht auf eurer«, sagte Vali. »Legt die Waffen nieder und ergebt euch. Ich biete euch meinen Schutz an und beschwöre es.«
Das eine Wort schien zu ihnen durchzudringen. »Schutz.«
Die Männer wechselten Blicke, dann legten sie das schwere Silber ab, sanken auf die Knie, pressten die Hände gegeneinander und
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