Wolfskrieger: Roman (German Edition)
murmelten. Die Schläge gegen die Tür wurden lauter. Er ging zu den Männern hinüber.
Einer hielt einen seltsamen länglichen Gegenstand fest, der an ein dickes Stück Leder erinnerte. Vali fragte sich, was es war, dass der Mann es sogar verbissener festhielt als das Silber. Er ging zum Tisch, wo noch eines dieser Stücke lag, hob es auf und betrachtete es. An drei Seiten war es blasser als an der vierten. Die blassen Ränder waren anscheinend zusammengepresste Schichten eines ihm unbekannten Materials. Als er den Gegenstand wieder hinlegen wollte, klappte er auf. Drinnen steckten viele Papiere wie jene, die er bei Veles Libor gesehen hatte. Sie waren völlig mit einer gewundenen Schrift bedeckt und mit einigen schönen Bildern illustriert. Dann dämmerte es Vali – diese Sklaven konnten ihn das Schreiben lehren. Wenn die Papiere ihnen so wichtig waren, dann mussten sie fähig sein, sie zu lesen.
»Herr!«
Im Fenster erschien ein Gesicht.
»Bragi!«
»Ja, Herr.«
»Wie bist du da heraufgekommen?«
»Eine Leiter, Herr.«
Vali lachte. »Du hättest deinen Kopf schonen können, wenn wir früher daran gedacht hätten. Ich öffne jetzt die Tür. Sorge dafür, dass niemand, und ich meine wirklich niemand, den Sklaven, die ich genommen habe, etwas antut. Sie sind mein Eigentum. Kannst du das diesen odinblinden Idioten beibringen?«
»Ich will es versuchen, Herr.«
»Klopfe dreimal, wenn du so weit bist.«
Vali wusste, was ihm bevorstand, wenn er die Türen öffnete. Er machte beruhigende Gesten, hob sein Sax auf und fasste den alten Mann, der das Bündel hatte, am Arm. Er war als Sklave am wenigsten nützlich und deshalb besonders gefährdet.
Nach einer kleinen Weile klopfte Bragi dreimal, und Vali zog den Riegel zurück.
Licht strömte in die Kirche, als die Türen aufflogen. Zwei Berserker stürmten mit erhobenen Speeren und brennenden Fackeln an ihm vorbei.
»Nein!«, rief Vali, doch es war zu spät. Zwei Sklaven wurden erstochen und stürzten, der dritte – der junge Mann, der in Valis Alter war, rannte weg und zerrte den alten Mann mit.
»Tötet sie nicht!«, rief Vali. Glücklicherweise fielen die Männer Bragi und den Bauern in die Hände und wurden lediglich mit Schlägen der Hefte niedergestreckt.
»Silber!«, rief Vali. Das war genug. Die Männer strömten in die Kirche.
Vali wusste nicht, wie er seine Gefangenen retten sollte. Instinktiv bugsierte er sie mit der Schwertspitze den Hügel hinauf in Richtung des Langschiffs. Er dachte daran, sie laufenzulassen, doch er wollte unbedingt das Schreiben lernen, denn er hielt diese Fähigkeit für einen Schlüssel, um eines Tages sein Königreich voranzubringen und zu beherrschen. Außerdem war Vali bisher noch nicht vielen Fremden begegnet und wollte mit ihnen reden. Diese Männer, so dachte er, konnten ihn ohne Zweifel viel Interessantes lehren.
Als sie die Hügelkuppe erreicht hatten, hob er seinen Schild auf und blickte nach unten. Inzwischen brannten sämtliche Hütten und auch die Kirche. Das Vieh wurde zusammengetrieben und in ihre Richtung geführt. Die Männer, die bei Vali waren, weinten. Jetzt erst nahm er sich die Zeit, sie genauer zu betrachten. Sie konnten nichts anderes als Sklaven sein, dachte er. So viel verrieten die groben Kleider und die geschorenen Köpfe. Aber selbst Sklaven entwickelten eine Bindung an den Ort, an dem sie lebten. Wieder fiel ihm auf, wie verzaubert die Insel schien – das Funkeln der Sonne auf dem Meer, die dicken Rauchfahnen, die sich zum Festland hin erstreckten wie ein magischer Damm, die Brände. Angesichts solcher Schönheit konnte man leicht vergessen, dass es eigentlich ein Bild der Zerstörung war.
Eilig ging er weiter zu den Schiffen und erreichte sie als Erster, wenn man von den fünf oder sechs Wachen absah.
»Habt ihr viel geplündert?«, fragte einer, als sie sich näherten.
Vali deutete mit dem Sax auf die Sklaven.
Der Wächter nickte. »Einer ist schon älter, aber der andere dürfte in Kaupang eine Menge wert sein.«
Er meinte den großen Markt im Süden. Vali hatte schon davon gehört, ihn aber noch nie besucht. Die Gefangenen würden allerdings nicht dort verkauft werden. Mit ihnen hatte er andere Pläne.
»Sie gehören mir«, verkündete er.
Der Wächter zuckte mit den Achseln. »Kommt ganz darauf an, wie geteilt wird.«
»Sie gehören mir«, wiederholte Vali. »Ich habe mich dafür eingesetzt, dass sie überleben. Die anderen wollen lieber töten als Gefangene machen.« Noch einmal
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