Wolfslied Roman
von einem feinen Staubschleier überzogen. Ich fragte mich, ob Jackie seit meinem letzten Besuch hier auch nur ein einziges Mal saubergemacht hatte.
Ich war im vergangenen Jahr da gewesen, als ich auf einer Wanderung zufällig über ihren Trailer stolperte. Damals hatte mich der Zustand meiner Ehe zu Hunter gequält, wobei ich noch immer gehofft hatte, sie retten zu können. Jackie erklärte mir an jenem Abend, dass sie wüsste, Red und ich würden über kurz oder lang ein Paar werden. Obwohl sie es bereits akzeptiert hatte, wirkte sie eindeutig nicht glücklich darüber. Es ging nicht um Eifersucht; zu diesem Zeitpunkt waren die beiden schon länger getrennt. Vielmehr ging es darum, dass sie sich Sorgen machte, ich könnte Red mehr Leid als Glück bringen.
Letztlich hatte mich Red an jenem Abend nach Hause begleitet. Auf dem Heimweg war es dann zu einem unerwartet leidenschaftlichen Abstecher gekommen.
»Okay. Patsy ist nirgendwo zu sehen. Aber da ist schon mal Romulus, bereit für seine Spritze.«
Ich zuckte zusammen, als Jackie den deutschen Schäferhundmischling
in den Trailer führte. Sie interpretierte meinen Blick falsch und lächelte mich schuldbewusst an. »Ich weiß, es sieht hier ganz schrecklich aus. Aber ich bin die ganze Zeit über im Freien, da fällt mir das gar nicht auf.«
»Du musst dich nicht entschuldigen, Jackie. Ich weiß sowieso nicht, wie du es schaffst, all das zu bewältigen.«
Jackie kümmerte sich nicht nur um ihr Wolfsrudel - die meisten der Tiere hatten bei ihren früheren Besitzern viel Leid erfahren -, sondern sie arbeitete auch noch als Retterin verletzter, wild lebender Tiere. Sie beherbergte viele Tiere, die Red aus Dachböden und Kellern entfernte, und fungierte zudem als inoffizielle Naturschützerin, indem sie die Nester und Brutplätze vom Aussterben gefährdeter Vögel und Schildkröten kontrollierte und im Sommer nach offenen Feuerstellen Ausschau hielt. Ihr einziges echtes Einkommen bestand in Spenden für die Wolfshybriden und kam aus dem Verkauf von Schwarzgebranntem.
Was mich daran erinnerte, dass ich Red eine Flasche mitbringen sollte.
»Ich darf nicht vergessen, eine Flasche Whiskey zu kaufen«, sagte ich, während ich Handschuhe und Mantel auszog.
»Die musst du nicht kaufen.«
Jackie beugte sich herunter, um eine Flasche aus einer Schublade zu holen. Auf einmal fiel mir auf, dass ihre untersetzte Gestalt nicht auf Fett, sondern auf Muskeln zurückzuführen war.
»Ich möchte dir das aber bezahlen, Jackie.«
»Wie wäre es, wenn du mir stattdessen Red für die Nacht leihst? Nein - ich mache nur Witze, Doc. Red und ich haben diesen Unsinn doch schon lange hinter uns. Und er
würde dich auch nie betrügen, das weißt du. Er ist ein guter Mann. Von dieser Sorte gibt es nicht viele.«
Ich murmelte meine Zustimmung und beschäftigte mich dann damit, dem Schäferhundmischling seine Spritze zu verabreichen. Soweit ich das beurteilen konnte, war Jackies Zuneigung für Red tatsächlich die einer alten guten Freundin. Sie verhielt sich auch nicht eifersüchtig oder ablehnend mir gegenüber. Trotzdem schien sie mich als die jüngere, kultiviertere Frau zu betrachten, die ihren früheren Freund verzaubert hatte, und das war keine Rolle, die mir zusagte.
»Also«, sagte ich und wechselte mit meiner üblichen Plumpheit das Thema. »Gibt es sonst etwas, das ich bei den Hunden machen sollte? Außer der Tollwut- und der Parvo-Impfung? Du meintest, Patsy hätte eine ihrer Wolfskrallen aufgerissen?«
Jackies Augen funkelten belustigt. Es war ihr nicht entgangen, wie unwohl ich mich bei Gesprächen über Red fühlte. Sie tat mir jedoch den Gefallen und ging auf meine Fragen ein. »Lass mich nachdenken. Loki hat sich mit irgendeinem Tier einen Kampf geliefert, in dem sein Schwanz ziemlich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ich habe ihn zwar bandagiert, aber es wäre gut, wenn du ihn dir nochmal anschauen könntest.«
»Ich hab ihn heute noch gar nicht gesehen.«
»Er war aber da. Loki ist nur sehr scheu, so dass man ihn gerne mal übersieht. Er ist mein ganz besonderer Liebling, weil er einer der klügsten und freundlichsten Hunde ist, die ich kenne, wenn er sich erstmal an dich gewöhnt hat. Er erinnert mich irgendwie an Pia, wie sie früher war.«
Vermutlich stehen alle Eltern zuerst unter Schock, wenn ihr süßer kleiner Junge oder ihr entzückendes Mädchen auf
einmal in die Höhe schießt, an allen möglichen Stellen Haare bekommt und hässliche
Weitere Kostenlose Bücher